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Malaysia fordert uns heraus

Herzliche Begrüßung 

Die Einreise nach Malaysia geht im Großen und Ganzen zügig vonstatten. Der Grenzübergang ist sehr klein und platzt mit all unseren Wohnmobilen aus allen Nähten.

Die ersten zwei Nächte stehen wir in einem kleinen Dorf direkt am Meer. Der Bootsausflug fällt dem Wetter zum Opfer – stattdessen grillen Einheimische für uns am Stellplatz. Auf dem Speiseplan stehen u.a. frischer Fisch, Hühnchen, Reis, Nudeln, Obst und anschließend ein Kaffee – alles wird liebevoll angerichtet und ist einfach nur köstlich.

Die Menschen hier leben von Fischerei und Reisanbau. Sie sind ausgesprochen freundlich, hilfsbereit und großzügig. Sie überlassen gestrandeten Fußgängern ihr Moped, nehmen andere hinten drauf – gerade so, wie es Anstand und religiöse Vorschriften erlauben.

Bereits nach zwei Tagen ist klar: Die Malaysier sind kontaktfreudig und interessierte Menschen. Sie nehmen Bezug auf das, was ich sage und fragen nach. Das ist erfrischend anders, als ich es in vielen anderen Ländern auf dieser Reise erlebt habe.

Natur pur?

Es ist ein Geschenk, ein Land wie Malaysia mit dem Wohnmobil bereisen zu dürfen. Abseits ausgetretener Touristenpfade durchqueren wir das Land meist auf Landstraßen, meiden die Autobahn.

Traumhaft schöne Strecken durch eine hügelige, dschungelartige Landschaft wechseln sich ab mit Berg- und Talfahrten die den Blick frei geben auf hunderte von Gewächshäusern. Dieser Anblick ist schon sehr gewöhnungsbedürftig.

In den Cameron Highlands kommen Teeplantagen hinzu, die bis heute im Besitz britischer Familien sind. Ein Relikt aus Kolonialzeiten.

An den Ortsrändern und seitlich der Straßen beginnt streckenweise der Dschungel. Bereits nach ein paar Metern wird die Vegetation undurchdringbar, wie wir auf einer kurzen Wanderung erfahren dürfen. An den Stellen, an denen der Trampelpfad etwas verwaist ist, holt sich die Natur den Freiraum sofort zurück.
Wie schon so oft auf dieser Reise, queren Affen die Straßen. Das ist für uns schon so normal geworden, dass ich mir das Besondere immer wieder bewusst machen muss.

Land unter

Zweimal bekommen wir eine Ahnung davon, wie es wohl in Monsunzeiten ist. Es regnet in kurzer Zeit so heftig, dass unsere Stellplätze unter Wasser stehen. Auf Penang stapfe ich morgens mit meinen Tewas aus dem Amigo und stehe direkt knöcheltief im Wasser.

In Kuala Lumpur gerate ich in ein heftiges Gewitter, als ich für Manfred ein paar Dinge in der Apotheke besorge. Die Straßen laufen so voll Wasser, dass ich beim Queren genau schauen muss, um zwischen Verkehrsinsel und Straße zu unterscheiden.

Erstmals in meinem Leben mache ich die Erfahrung, dass aus Pfützen deutlich spürbar warme Luft aufsteigt – geradezu, als hätte jemand in der Biosauna einen Aufguss gemacht.

Hier ist alles „Tropical“

Die Insel Penang gefällt mir besonders gut. Mit Georgetown hat sie eine sehr moderne, aber auch geschichtsträchtige Inselhauptstadt – schließlich wurde hier schon früh Handel betrieben.

Im hügeligen Hinterland erfreuen wir uns beim Besuch einer Obstplantage und dem Gewürzgarten an den tropischen Köstlichkeiten, die schon in früher Geschichte Begehrlichkeiten geweckt haben. Ich lerne erneut Früchte und Gewürze kennen, von denen ich noch nie etwas gehört habe, und genieße sie mit allen Sinnen.

Treffen mit einer Orang Utan Dame

Auf der kleinen Bukit Merah Oran Utan Insel sind Manfred und ich am frühen Morgen die einzigen Gäste. Die Gastgeberin und Leiterin der Foundation führt uns über das Gelände, auf dem wir in umzäunten Wegen laufen, während die Orang Utans sich in verschiedenen Bereichen frei auf der Insel aufhalten. Wir haben Glück und bekommen tatsächlich fünf von ihnen zu Gesicht. Drei von ihnen sind neugierig auf uns und kommen sehr nah.
Die Tiere, die hier leben, stammen oftmals aus nicht artgerechter , illegaler Haltung bei Menschen. Sie werden sukzessive wieder auf ein Leben in der freien Natur vorbereitet. In den vergangenen Jahrzehnten sind etliche von ihnen im Dschungel auf Borneo ausgewildert worden, haben dort überlebt und neue Familien gegründet. Darauf darf man hier zurecht sehr stolz sein.

Ich bin ganz ergriffen davon, insbesondere mit dem Weibchen in Kontakt zu treten. Sie hält mir einen Stock hin. Als ich zupacken möchte, zieht sie ihn weg und hat ihren Spaß. Als ich in einem unentdeckten Moment an dem Stock ziehe, ist sie überrascht und legt sogar ihre Mango – die sie gerade isst – zur Seite, um den Stock wieder zu erobern. 

Mich berührt sehr, mit wieviel Herzblut und Ehrlichkeit die Gastgeberin unsre Fragen beantwortet und von ihrem Lebenswerk berichtet.

Schutzraum Nationalpark

Zwei Tage erkunden wir den Taman Negara Nationalpark zu Fuß und per Boot, am Tag und in der „Nacht“. Es ist gut zu wissen, dass es auch hier Landstriche gibt, die geschützt sind und bewahrt werden. Es ist einfach wunderbar, durch den Regenwald zu laufen und den Tieren zu lauschen oder mit dem Boot in die entlegenen Stellen zu schippern und in einem Bergfluss zu baden.

Mir ist schon bewusst, dass die Natur nicht ganz unberührt ist, wenn wir uns dort in einem kleinen Teil mit Rangern und Guides bewegen. Seit einer Diskussion in Costa Rica habe ich meine Haltung hierzu jedoch etwas verändert. Wir leisten mit unseren Eintritten und Besuchen auch einen Beitrag, dass dieser NATURraum erhalten bleibt und gepflegt werden kann. Würden diese Gelder wegfallen, wäre das verschiedentlich nicht mehr so gut möglich.
Wie schön, dass es in vielen Ländern Nationalparks gibt, deren Fläche keiner Rodung oder Bebauungsplänen zum Opfer fallen.

Der Handel mit dem Palmöl

Direkt an den Nationalpark angrenzend sind, so weit das Auge reicht, Palmölplantagen, die wie Wälder ganze Hügelketten bedecken. Abholzung und Monokultur sowie das damit verbundene Artensterben sind der Preis, den wir letztendlich alle dafür zahlen, dass Palmöl zwischenzeitlich in vielen Produkten unseres täglichen Bedarfs enthalten ist. Unfassbar viele Millionen von Menschen verdanken dem Palmöl in Südostasien ihr Auskommen. Hier klimafreundliche Alternativen zu finden, die keine Verlierer zurück lassen, ist sicherlich zwingend notwendig, aber in absehbarer Zeit kaum realisierbar.

Das Wandern ist des Müllers Lust

Bei Kuantan stehen wir für vier Nächte im Osten Malaysias direkt am Strand. Es ist das Pfingstwochenende und alle freuen sich auf ein paar ruhige Tage, so auch ich. Am zweiten Tag, den ich faul mit schwimmen, lesen und Fotos sichten verbringe, verspreche ich Manfred, mit ihm am darauffolgenden Tag einen Strandspaziergang zu machen.

Mit Crocs, Strandsandalen, Badesachen und Handtuch machen wir uns auf den Weg. Unser Ziel ist die nächste Bucht. Hier wollen wir einen Kaffee trinken. Manfred möchte unterwegs baden. Wir schauen dem Spiel der Gezeiten zu und kommen in einen Bereich, in dem wir über große Felsen klettern müssen, um weiter zu kommen. Obwohl wir definitiv nicht für Kletterpartien ausgerüstet sind, nehmen wir die ersten Hürden und sind schließlich nur noch von Felsen umgeben. In der Überzeugung, dass es nicht mehr zu weit zur nächsten Bucht ist, setzen wir unseren Weg fort. An einigen Stellen muss ich durchs Wasser waten, meine Sachen hochhalten, damit sie nicht nass werden. Etliche Male muss Manfred mich den Felsen hochziehen, da meine Beine zu kurz sind, um die Distanz zu überbrücken. Die Felsküste nimmt kein Ende, die nächste Bucht kommt einfach nicht in Sicht. Umkehren ist irgendwann genauso unvernünftig wie das Weitergehen. Neben dem Küstenabschnitt ist nur undruchdringlicher Dschungel.

Dann kommt es, wie es kommen musste: An einem Felsen gleitet Manfred aus seinen Crocs und rutscht ab, fällt zwischen einige Felsen. Dabei verletzt er sich zum Glück nur am linken Oberschenkel. Zu dem Zeitpunkt ist die Bucht schon in Sicht, die wir trotz allem noch erreichen. Da wir in der brütenden Hitze kein Getränk mitgenommen hatten, stärken wir uns erst einmal, bevor ich ein Taxi zurück zum Stellplatz bestelle.

Die Wanderung war einfach nur gefährlich und so ist es fast schon ein Glück, dass nicht mehr passiert ist.

Nichts geht mehr 

Manfreds Bein schwillt am nächsten Tag extrem an. Innere Blutungen führen zu extremen Schmerzen, so dass er sich, völlig erschöpft und kaum noch beweglich, schließlich zu einer Vorstellung im Krankenhaus „überreden“ lässt. Da der Taxifahrer sich nicht traut, durch den Sand bis zum Amgio zu fahren, tragen Wilhelm und Heinz Manfred über den Stellpaltz bis zum Taxi. Laufen ist ihm nicht mehr möglich.

Ulrike, Wilhelm und Adam, der neue malaysische Guide, begleiten uns zum Krankenhaus. Ich erlebe das als große Unterstützung und Hilfe, da wir die Gepflogenheiten und das Gesundheitssystem nicht kennen und es für mich schwierig ist, alles in Englisch zu managen.

Bis nachts sind wir in der Notaufnahme. Der aufnehmende Arzt zieht seine FachkollegInnen aus der Orthopädie und Kardiologie hinzu. Außerdem ist das Bett umringt von StudentInnen – wie sich heraussstellt, ist Manfred in einem Universitätskrankenhaus untergekommen.

Wie ich mir schon dachte, muss Manfred zur Beobachtung bleiben. Vorsorlich hatte ich ein paar Dinge für die erste Nacht eingesteckt. Es ist nicht klar, ob das Bein aufgrund seines Blutverdünners weiter anschwillt. Schlimmstenfalls müsste er dann operiert werden. Die Bilder, die wir im Zuge der Verständigung gezeigt bekommen, sind ekelig und schockierend. Ich wünsche Manfred von Herzen, dass dieser Kelch an ihm vorbeizieht.

Eine Gruppe zum Wohlfühlen

Es ist bereits fast drei Uhr, als ich mit Ulrike und Wilhlem zum Stellplatz zurückkehre. Ich bin völlig aufgedreht, räume und recherchiere noch ein wenig und falle schließlich totmüde ins Bett. Bereits um kurz vor sieben stehe ich auf und mache den Amigo klar für die Fahrt in die Stadt. Auf Empfehlung von Adam werde ich zunächst ein Zimmer für eine Nacht in der Stadt nehmen und mir am Folgetag etwas in der Nähe des Krankenhauses suchen. 

Während ich packe, darf ich die geballte Ladung Unterstützung und Hilfe von Gruppe und Team erfahren. Alle helfen mir, wo es geht, wünschen das Beste und bieten ihre Hilfe an. Ich bin bislang auf dieser Reise noch nicht gefahren, so dass einige nicht wissen, dass es für mich kein Problem ist, den Amigo zu fahren. Sie bieten an, den Amigo zum Hafen nach Port Klang zu fahren bzw. uns abzuholen. Andere schlagen vor, ihren Aufenthalt in der Stadt zu verlängern, um Manfred und mich sprachlich und logistisch zu unterstützen. Da wir keinen dritten bequemen Sitz im Amigo haben und auch kein Bett in der unteren Etage, bekommt Manfred das Angebot, in anderen Womos mitzufahren oder gar zu übernachten.
Ich bin sehr gerührt von dieser Hilfsbereitschaft und von Herzen dankbar für diese Erfahrung. Auch wenn wir nicht darauf zurückgreifen müssen, wächst in mir an diesem Vormittag die Zuversicht, dass wir das ganze gemeinsam schaffen. Und das ist wahrscheinlich das Wichtigste überhaupt.

Fünf Tage in Kuantan

Kuantan ist keine Touristenstadt. Überall, ob im Hotel, im Supermarkt, an der Kaffeebude, im Sanitätshaus oder im Restaurant, werde ich gefragt, was mich denn an diesen Ort verschlagen hat.

Fünf Tage verbringe ich im Umkreis des Krankenhauses, kümmere mich so gut es eben geht um Manfred, spreche mit Pflegern und Ärzten, mache Besorgungen, Wäsche, die Korrespondenz mit der Krankenkasse und halte Kontakt zur Gruppe. Der Mann in der Kaffeebude im Krankenhaus wundert sich, warum ich an den ersten zwei Tagen immer einen Kaffee kaufe, danach zwei. Ich erzähle ihm ein wenig von uns. Als ich am Freitagnachmittag einen Kaffee kaufe, überreicht er ihn mir mit der Info, dass er überzeugt ist, dass wir mit nach Indonesien fahren können. Er habe für Manfred gebetet. Ich bin sprachlos.

Abends bin ich regelmäßig wie gerädert. Es ist weiterhin unerträglich heiß und drückend.

Manfreds Bein schwillt nicht weiter an. Er macht von Tag zu Tag Fortschritte, kommt langsam wieder auf die Beine, gewöhnt sich an die Krücken und fühlt sich besser. 

Wir gehen davon aus, dass Manfred nach fünf Tagen entlassen wird und entscheiden uns, die Reise fortzusetzen, ohne mit nach Singapur zu reisen. Der Arzt bestätigt unseren Eindruck, möchte Manfred jedoch nach weiteren sechs Tagen noch einmal sehen, bevor er sein endgültiges Okay gibt. 

Damit haben wir nicht gerechnet, zumal zu dem Zeitpunkt der Amigo schon im Hafen von Port Klang sein muss. 

Ich mache ein Schreiben mit all unseren Fragen fertig, dass ich durch den Übersetzer schicke und dem diensthabenden Arzt vorlege. Mein Englisch ist definitiv zu schlecht, um diese wichtigen Fragen mal eben bei der Visite zu klären. Er willigt ein, dass Manfred sonntags entlassen wird und die Nachuntersuchung in Kuala Lumpur erfolgen kann – einen Atbrief bekommen wir mit, ebenso Medizin für den Zeitraum. Wir sind erleichtert.

Leider weiß der diensthabende Arzt am Entlassungstag nichts davon; er gehört nicht zum Team, das Manfred behandelt. Es ist Sonntag und zudem Feiertag in Malaysia. Drei Stunden später als besprochen darf ich Manfred dann aber doch mit dem Rollstuhl aus dem Krankenhaus schieben und das Kapitel Krankenhaus in Malaysia zuschlagen.

Ich hole den Amigo, packe Manfred ein und auf gehts nach Kuala Lumpur.

Es überrascht mich, dass mir der Linksverkehr nichts ausmacht – fast neun Monate beifahren im Linksverkehr haben ihre Spuren hinterlassen. Ich habe den Eindruck, dass es mir leichter fällt, in die Rolle als Fahrerin hinein zu finden, als Manfred in die Rolle des Beifahrers. Wir werden sehen. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis er wieder selbst am Steuer sitzt.

Im Airbnb in Kuala Lumpur

Wir kommen, bedingt durch Verzögerungen bei Manfreds Entlassung und dem wohl auch hier üblichen Verkehr, fünf Stunden später als gedacht in Kuala Lumpur an. Es dämmert bereits.

Ich habe uns ein schönes Airbnb herausgesucht. Das Appartment liegt im 26. Stock eines Appartmenthauses und ist sehr modern eingerichtet. Wir haben einen schönen Küchen-, Ess- und Wohnbereich sowie zwei Schlafzimmer – so hat Manfred seine Ruhe und kann sein Bein weiter schonen. Vom 37. Stock hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt, auch vom herrlich angelegten Infinitypool, den ich dreimal ganz für mich alleine habe. Wir fühlen uns in den sechs Tagen, die wir letztlich in Kuala Lumpur sind, hier sehr wohl. Manfred verlässt das Haus ja letztlich nicht. Um so schöner ist es, dass wir Besuch von Ulrike und Wilhelm bekommen und auch von unserem Gastgeber, von dem wir viel über die Lebensart der Malaysier, aber auch über seine Erfahrungen in Japan erfahren.

Time to say goodbye

Seit Wochen ist klar, dass zwei Pärchen nicht mit nach Indonesien verschiffen, bei einem weiteren ist es noch unklar. 

Es fühlt sich surreal an, nach einer Woche der Abwesenheit von der Gruppe nun in Kuala Lumpur in der Whisky Bar wieder dazu zu stoßen und die vier gleichzeitig letztmals in die Arme zu nehmen. Schließlich liegen noch über zwei Monate der gemeinsamen Reise vor uns. Klar, irgendwann gehen wir alle auseinander, aber es macht mich traurig, dass die vier uns jetzt schon verlassen. Für mich gehören sie einfach dazu und haben meine Reise bislang sehr bereichert.

Abschied auf Zeit – Port Klang

Und noch ein Abschied steht an. Erneut müssen wir uns für eine Woche vom Amigo trennen. Ich fahre ihn nach Port Klang ins Hafengebiet. Hier könnte auch gut ein Schminanski spielen… Des Nachts möchte man sich hier nicht aufhalten. Alles wirkt irgendwie verlassen, runtergekommen, eigentlich gar nicht wie im Hafenbereich. Auch Schiffe sieht man eigentlich nicht. Es liegen ein paar alte Plattformen an verwaisten Stegen. Es ist Sonntag – ob das der Grund ist?

Wie gut, dass drei Gruppenmitglieder bei unseren Womos bleiben und sogar auf dem Ponton (Plattform) mitreisen dürfen.

Die Wartezeit überbrücken sie unter anderem damit, unsere aus Mainz mitgebrachten Solarpanels gegen die alten zu tauschen. Als wir am Folgetag noch einmal zur Zollabfertigung kommen, haben sie die alten schon runter genommen.

Heute wirkt das Hafengebiet belebter. Überall liegen große Baumstämme herum. Wir sind wohl Teil der Abteilung Holzverschiffung. Die Mitarbeiter des Zolls sind zu unseren Wohnmobilen gekommen. An einem Campingtisch erfolgt die Zollabnahme. Ein Blick in den Amigo reicht ihnen. Wir sind im Nu ferig und bereit zur weiteren Erkundung von Kuala Lumpur.

Wieder im Focus

Es ist ein schleichender Prozess. Seit einigen Wochen funktioniert mein Fotoapparat immer unzuverlässiger. Ich bekomme meine Objekte nur noch scharf gestellt, wenn ich mich Stück für Stück an sie herantaste. Schnappschüsse und die gängigen Fotos während unserer Ausflüge sind kaum noch möglich. Ich verliere nach und nach die Lust am Fotografieren und verzweifle, dass es fast unmöglich erscheint, von Laos, Thailand oder Malaysia etwas dagegen zu unternehmen. 

In Kuala Lumpur finde ich ein Fotogeschäft, das meine Kamera nebst Objektiv führt und zudem Service anbieten. An einem Mittag habe ich Zeit, dort vorbei zu schauen. Schnell ist klar, dass der Autofocus des Objektivs defekt ist. Eine Reparatur kann Wochen dauern. Die Zeit haben wir leider nicht.

Telefontate mit Calumet in Essen und Panasonic ergeben, dass ich noch in der Garaniezeit bin, diese aber leider nur europaweit gilt – so viel zum Thema Globalisierung weltweit operierender Unternehmen.

Ich entscheide mich schweren Herzens zum Kauf eines neuen Objektives und wähle ein anderes, als das, was ich schon besitze. Einerseits ist es lichtstärker, andererseits ist die Brennweite nicht so variabel. Ich werde mich wohl ein wenig umstellen müssen, bin aber wieder ausgestattet. Stolz präsentiere ich Manfred abends meine Neuerwerbung.

Von Modern bis traditionell

Insgesamt überrascht mich Malaysia. Auf den Dörfern geht es noch recht traditionell zu – hier gibt es viele Parallelen zu anderen Ländern in Südostasien. In den Städten bekomme ich eine Idee, wohin sich Malaysia entwickelt. 

Was den Einsatz von Technik und Serviceapps anbelangt, habe ich das Gefühl, dass die Menschen in Malaysia sie gezielter und selbstverständlicher nutzen, als wir. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Bevölkerung hier im Durchschnitt viel jünger ist als bei uns. Da setzen sich technische Fortschritte sicherlich schneller durch.

In Kuala Lumpur stehen nicht nur einige der höchsten Gebäude der Welt. Auch sonst wird gebaut, was das Zeug hergibt. 

In der Hauptstadt entsteht zudem ein Spaghettiknoten nach dem anderen – wie verschlungene Autobahnkreuze seit meiner Kindheit genannt werden. Wären da nicht die fehlenden Bürgersteige und die vielen Garküchen, könnte man mancherorts glatt vergessen, in Südostasien zu sein.

Leider wird offensichtlich nicht in den öffentlichen Nahverkehr bzw. in die Infrastrukur für Fußgänger und Radfahrer investiert. Das finde ich zu einseitig und wenig zukunftsweisend gedacht. Hier finde ich das niederländische System unschlagbar, wo jeder Verkehrsteilnehmer auf seine Kosten kommt.

Abwegig

Egal, in welchem Teil Malaysias wir uns aufhalten, Bürgersteige  werden häufig immer schmaler, sind an Einmündungen sehr hoch und enden oftmals im Nichts. Es macht nicht wirklich Sinn, spazieren zu gehen oder Besorgungen zu Fuß zu machen.

In Kuantan blicke ich von der Lobby des Hotels auf das Krankenhaus, in dem Manfred liegt. Mehrfach am Tag muss ich eine vierspurige Schnellstraße nebst Verkehrsinseln überqueren, um ihn zu besuchen. Auch auf Nachfrage stellt sich heraus, dass es keinen Fußweg dorthin gibt.

In Kuala Lumpur bin ich die wenigen Kilometer vom Hotel zum Fotogeschäft und weiter zu Krankenhaus zu Fuß und mit der U-Bahn unterwegs. Ich muss mich mehrfach vergewissern, ob ich mich noch auf dem von Google Maps vorgeschlagenen Fußweg befinde, weil ich ihn nicht mehr als solchen ausmache. Über enge Fußwege neben der Schnellstraße muss ich förmlich balancieren und von Absätzen runterspringen, um auf die andere Seite einer Schnellstraße zu gelangen. Die erst zwei Jahre alte U-Bahnstation teile ich mir dann mit nur zwei weiteren Fahrgästen. Die freundliche Mitarbeiterin ist wahrscheinlich glücklich, etwas zu tun zu bekommen und begleitet mich ungefragt zum Fahrchip-Automaten. Die Szenerie hat fast etwas gespenstiges.

James, unseren Airbnb Gastgeber in Kuala Lumpur, spreche ich darauf an. Er pflichtet mir bei, dass für Fußgänger quasi keine Infrastruktur vorhanden ist und es somit auch wenig sinnvoll ist, die U-Bahn zu nutzen, weil sie nicht so verbunden sind und immer wieder Distanzen zu Fuß überbrückt werden müssen. Die Einwohner seien förmlich gezwungen, ein Fahrzeug anzuschaffen, um Schul- und Arbeitswege zur bewältigen. Die Autokosten würden für viele einen Großteil des Verdiensts ausmachen.

Sich selbst erfüllender Optimismus

In Kuala Lumpur suche ich das Krankenhaus auf, das der Entlassungsarzt uns für die Nachuntersuchung empfohlen hat. Damit alles klappt, möchte ich den Termin lieber persönlcih ausmachen. Das Krankenhaus macht einen guten Eindruck und ich überzeuge mich höchst persönlich, dass der Termin im Kalender landet. Schließlich wollen wir am Tag darauf in aller Hergottsfrühe nach Malakka fahren, um noch am selben Tag mit den anderen die Fähre nach Dumai in Indonesien zu nehmen.

Am Untersuchtungstag geht, nach einer aufwendigen Registrierung, alles seinen Gang. Der Artzt nimmt sich ausreichend Zeit für uns. Nach Ausschluss einer Thrombose gibt er schließlich sein okay, stattet Manfred mit weiteren Medikamenten aus und wünscht uns eine gute Weiterreise. Wir sind glücklich auch diese Klippe genommen zu haben. Schließlich wird der Amigo gerade Richtung Indonesinen verladen.

Jetzt oder nie

Endlich ist es wieder klar, wie es weitergeht. Manfreds Krankenhausaufenthalt hatte die Fortsetzung der Reise kurzfristig in Frage gestellt. Mit der Weiterverschiffung nach Indonesien ist klar, dass wir noch etliche Monate unterwegs sein werden.

In den letzten Wochen haben wir ohnehin viele Planspiele gemacht, Kosten und Nutzen abgewogen. Es war lange offen, ob es eine und wenn, welche Lösung es für Australien gibt. Von daher haben wir uns gefragt, ob es sinnvoll ist, für eine kurze Zeit mit nach Indonesien zu reisen. Ein Verlängerung des Aufenthalts dort ist nicht so einfach zu realisien, da das Fahren alleine mit dem eigenen Womo einer Genehmigung durch Behörden und Geheimdienst bedarf.

Zwischenzeitlich wurde jedoch eine gute Option von Timor Leste nach Darwin gefunden, so wie es ursprünglich auch geplant war. Wenn alles so bleibt, werden wir wohl mit nach Australien verschiffen. Bis wir unter dem heimischen Tannenbaum sitzen verbleiben uns dann noch drei Monate vor Ort. Pläne für Australien werden wir zu einem späteren Zeitpunkt machen. Jetzt geht es erst mal – mit einem nach und nach genesenden Manfred – nach Indonsien. Alles muss sich neu einspielen und ein weiteres Land will entdeckt werden.

Leider verläuft der Start der Verschiffung unserer Womos nicht so zügig. Erst zwei Tage später als erwaret bekommt das Schiffgespann die Erlaubnis zur Ausfahrt in die Straße von Malakka und nimmt Kurs auf Dumai in Indonsien.

Dafür sitzen wir nach einer langen Taxifahrt am frühen Morgen in Malakka im Fährterminal und treffen wieder auf die Gruppe. Die Wiedersehensfreude ist auf beiden Seiten groß. Alle packen mit an und unterstützen uns mit den Taschen. Manfred schiebe ich aus Malaysia im Rollstuhl auf die Fähre und letztlich in Indonesien über die Grenze. Aber dazu demnächst mehr.

Eure Saradevi
Karang Nini, 02.07.2023

Unsere Reise durch Malaysia im Mai und Juni 2023

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