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Thailand noch einmal anders

Lebensader Mekong

Es kommt mir vor, als würden wir Südostasien in einer Zeitmaschine umrunden. Schon wieder reisen wir nach Thailand ein  diesmal von Laos aus in den Nordosten.

Die ersten zwei Tage im Nordosten bleibt Laos in Sichtweite. Wir fahren am Grenzfluss Mekong entlang. Streckenweise haben wir den Eindruck, dass er kein Wasser mit sich führt. Das Wasser in den kleinen Verästelungen ist mancherorts nicht sichtbar. Die Regenzeit steht bevor, ist eine Erklärung. Die andere, dass in China Staudämme gebaut wurden und die Chinesen mitbestimmen, wie viel Wasser durch diese Ader Südostasiens fließt. Mir ist bewusst, dass Geopolitik, insbesondere um die Ressource Wasser, eine große Rolle spielt. Aber die Auswirkungen erst in Vientiane und nun kilometerweit im Grenzgebiet zu sehen, das macht mich traurig und nachdenklich. Wir zerstören mit einer solchen Politik ganze Ökosysteme und wahrscheinlich würde das jede Regierung auf die eine oder andere Art – manchmal vielleicht indirekt – für seine Bürger tun, wenn es darum geht, die Wasserversorgung und damit Überleben langfristig zu sichern.

Tempel moderner ART

Unterwegs zum Goldenen Dreieck besuchen wir Wat Rong Khun, einen weißen, zeitgenössischen Tempel. Er soll einer der schönsten Tempel dieses Jahrhunderts sein. Das teile ich nicht, ich finde ihn sogar ziemlich kitschig. Es fasziniert mich jedoch, dass Chaloemchai Khositphiphat den Prozess von der Vorstellung bis zur Umsetzung künstlerisch begleitet hat und auf dem Gelände weiter Neues schafft. Seine Zeichnungen und Skulpturen sind einzigartig – von ihnen bin ich regelrecht begeistert.

Am goldenen Dreieck

Der nördlichste Punkt unserer Route durch Südostasien ist das Goldene Dreieck. Von hier aus blicken wir auf Laos und Myanmar.

Hier ganz im Norden informieren wir uns über den Opiumanbau und den Handel in alten Zeiten und werden uns bewusst, dass es auf dieser Tour von nun an nur noch südwärts geht. 

Stippvisite in Myanmar

Schließlich kommen wir doch noch nach Myanmar – wenn auch nur für ein paar Stunden. Noch immer kommt es in Myanmar zwischen Militär und Bevölkerung zu Kämpfen. Wir wären sicher nicht Ziel einer der Parteien geworden, eine Durchfahrt wurde jedoch wegen der Begleitumstände als zu kritisch eingeschätzt.

Vom Goldenen Dreieck aus geht es zu Fuß bei Tachilek über die Grenze. Auf der anderen Seite warten Rikschas auf uns, mit denen wir durch die Stadt zur Shwedagon Pagode fahren. Hier erklärt unsere Begleiterin Su den Brauch, Wasser über das Symbol zu gießen, an dessen Wochentag man geboren ist. Als Sonntagskind gieße ich Wasser über Garuda, den mythischen mächtigen Vogel, dessen Futter eint Drache ist.

Su stammt aus Myanmar und wäre eine fantastische Reiseleiterin in ihrem Heimatland gewesen. In dem Moment, als sie stolz vor uns steht und uns eine Kostprobe gibt, merke ich, wie sehr ich es bedauere, dieses Land nicht bereist zu haben.

Alte Hauptstädte und Tempelanlagen

Auf unserem Weg durch Nordthailand begegnen wir immer wieder alten Stätten, die Zeugnis von der frühen Kultur und den Baukünsten der damaligen Zeit ablegen. In Sukhothai stehen wir vor den Toren des historischen Parks, den wir mit offenen Fahrzeugen und zu Fuß erkunden. Die alte Hauptstadt Ayutthaya erlaufen wir und lassen die Skyline der Überreste beim Mittagessen noch einmal vom Boot aus an uns vorbeiziehen. Ich muss gestehen, dass ich zwischenzeitlich etwas „overtempelt“ bin, wie wir hier sagen. Jedes Bauwerk für sich ist wunderschön. Wir würden jedoch auch nicht ein Jahr durch Europa reisen und jeden Tag Kirchen auf unsere touristische Speisekarte setzen.

Wellness für unseren Amigo 

Lange genug hat es gedauert, bis wir endlich Gewissheit haben, dass eine Werkstatt für einen Service und neue Stoßdämpfer in Chiang Mai gefunden wurde. Ob es typisch asiatisch ist, dass letztlich – trotz mehrwöchigem Vorlauf – keine Termine ausgemacht wurden, kann ich nicht beurteilen. Immerhin kommen zwei von fünf Fahrzeugen dran und wir sind glücklicherweise dabei. Auch die vorbestellten Sachen sind alle vor Ort und Dank der Unterstützung unserer Werkstatt aus Dinslaken auch vollständig und richtig. Letztlich verbringen wir gute zehn Stunden in insgesamt zwei Werkstätten, bis wir zufrieden wieder auf den Stellplatz rollen. 
Nur die Rückrufaktion zum Austausch der Airbags kann nicht erfolgen. Das Lenkrad ist auf der falschen Seite. Entsprechend sind keine Ersatzteile vorhanden. So bleibt nur zu hoffen, dass wir auch weiterhin unfallfrei durch die Welt kommen.

Im Dorf der Langhalsfrauen

In der Region Chiang Mai ist ein Dorf berühmt für seine Langhalsfrauen. Jeder Anbieter hat die Attraktion auf seinem Programm. Ich fahre mit gemischten Gefühlen dort hin. Einerseits bin ich neugierig, weil ich so etwas noch nie gesehen habe, andererseits möchte ich dieses Schönheitsideal, die ungesunde Körpermanipulation und den damit verbundenen Massentourismus nicht unterstützen.
Vor Ort fühle ich mich gleich unwohl. Wie auf dem Jahrmarkt sind links und rechts der Straße Verkaufsstände aufgebaut. Da wir fast die einzigen Touristen sind, buhlen alle Verkäuferinnen um unsere Gunst – alle wollen an den Frauen mitverdienen. An einigen Ständen sitzen die sogenannten Langhalsfrauen wie Ausstellungspuppen. Um ihren Hals haben sie jeweils eine metallerne Spirale. Um den Druck des Metalls abzufedern, tragen sie Halstücher. Für mich sehen sie nicht hübsch, sondern bizarr aus.

Als ich kleine Mädchen mit diesen Spiralen sehe, die nicht zur Schule gehen, sondern auf ein Leben als Touristenattraktion vorbereitet werden, drehe ich mich um, gehe zum Bus und warte auf die anderen. Das möchte ich nicht unterstützen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich meiner Neugier nachgegeben und überhaupt einen Fuß in das Dorf gesetzt habe.

Auf der River Kwai Brücke

Ich muss gestehen, ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wo die River Kwai Brücke ist. In Thailand hätte ich sie sicher nicht verortet. 

Von unserem Stellplatz aus blicken wir direkt auf die Todesbrücke, den Abschnitt der Eisenbahnlinie, bei dem besonders viele Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter beim Bau verstorben sind. Wir besuchen das Museum und den dazugehörigen Friedhof. Wie schon so oft auf dieser Reise, setze ich mich mit dem Kriegsgeschehen außerhalb Europas auseinander – im Schulunterricht ist der Krieg gefühlt nie über die europäischen Grenzen hinaus gekommen…

Schon in Laos war ich überrascht zu erfahren, dass im sogenannte Vietnamkrieg mehr Bomben auf dieses Land abgeworfen wurden, als auf Vietnam.

Und während in der Ukraine weiterhin ein erbitterter Krieg geführt wird, besuchen wir alle diese alten Kriegsschauplätze, laufen zu Fuß über die Brücke und schauen uns abends den Film „The Railwayman“ an. Der Film berührt mich sehr. Er zeigt die Verwundbarkeit der Menschen auf beiden Seiten. Menschlich gesehen gibt es keine eigentlichen Gewinner, sondern nur die Möglichkeit, am Ende des Krieges inneren Frieden zu schließen und zu vergeben.
Auch wenn es sich platt anhört, ich hoffe, dass die Kämpfe auf dieser Welt aufhören und wir niemals einen Krieg miterleben müssen. Wann beginnen Menschen aus der Geschichte zu lernen? Am liebsten würde ich der Maus (Frag die Maus, WDR) diese Frage stellen und hoffen, dass sie eine Antwort für uns bereit hat.

Wie im Urlaub

Je weiter südlich wir kommen, desto mehr steht die Natur wieder im Mittelpunkt unseres Interesses. Im Kui Buri Nationalpark gehen wir auf Elefantensafari und erleben tatsächlich einige frei lebende Elefanten in bezaubernder Natur. Es ist herrlich mit anzusehen, wie sie sich nach einem Bad im Tümpel von oben bis unten mit Sand und Dreck pudern.

Am Golf von Thailand machen wir für eine Nacht Station direkt am Strand und feiern Gerhilds 79. Geburtstag. Sie hat zum gemeinsamen Essen mit anschließender Strandparty eingeladen. Es ist einfach nur schön am Strand mit Blick auf’s Meer zu tanzen – Lebensfreude pur. „Tanzen ist wie träumen mit den Füßen,“ sagt meine Mutter immer.

Bezauberndes Karstgegirge

Spätestes seit dem James Bond Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“ hat jeder eine Idee von der wunderschönen Landschaft rund um die Pang Nga Bucht.

Bizarr geformte Kalksteinfelsen ragen bis zu 300m hoch aus der südlichen Andaman-See. Hier ist das Meer mit Inseln in allen Größen und Formen übersät.

Wir durchfahren diese Landschaft an mehreren Tagen und bestaunen die unterschiedlichsten Felsformationen an Land und zweimal vom Boot aus, auf dem Ratchaprapha Stausee und in der Pang Nga Bucht, in der sich auch das sogenannte James Bond Island befindet.

Einen kühlen Kopf bewahren

In Krabi verweilen wir insgesamt fünf Nächte. Nach Tagen des Schwitzens und des Kampfes mit Mücken, entscheiden wir uns für einen Kurzurlaub in einem Airbnb. Für fünf Nächte macht das Räumen Sinn. Für eine Nacht ist das ganze Hin und Her viel zu viel Aufwand.

Bereits am Vorabend werde ich fündig und frage an, ob wir uns das Objekt am nächsten Mittag anschauen können. Wir dürfen. Bancha und Ritar erwarten uns und wir sind augenblicklich verliebt in diese Unterkunft. Bancha ist Architekt und Künstler. Er hat das Haus selbst gestaltet. Überall hängen seine Bilder, der Gemeinschaftsraum ist seine Gallery. Im angegliederten Atelier nehme ich im Laufe der Tage die Möglichkeit eines Malkurses wahr.

Wir nennen ein klimatisiertes Schlafzimmer, ein Bad sowie ein Wohnzimmer mit Balkon unser eigen und können unser Glück kaum fassen, mal wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Temperaturen um die vierzig Grad, die sich laut App anfühlen sollen wir 45 Grad, hauen einen tatsächlich fast um. Erstmals seit Wochen schlafe ich ruhiger und bin morgens voller Tatendrang.

Grüner Tee mit Lemon und Eis

Die Tage in Krabi nutzen wir zum Runterkommen, Waschen, Überarbeiten unseres Blogs und leben einfach unseren Rhythmus. Mit der Gruppe fahren wir zur James Bond Island und schauen den dazugehörigen Film. Außerdem erwandern wir mit Wilhelm und Ulrike direkt früh morgens den Dragon Crest Mountain. Die Aussicht auf Krabi und die Pang Nga Bucht belohnt den schweißtreibenden Auf- und Abstieg.

Gleich dreimal gehen wir im selben Lokal essen. Das Essen ist schmackhaft, liebevoll zubereitet und günstig. Ich entdecke einen grünen Tee mit Lemon und Eis auf der Karte. Gleich nach dem ersten Schluck bin ich mir sicher, ein neues Lieblingsgetränk entdeckt zu haben. Meist trinke ich gleich zwei hintereinander. Es ist so erfrischend und lecker, dass ich mich schon darauf freue, es zuhause selber zu machen. Die Herstellung bzw. Kühlung von Eiswürfeln ist im Amigo utopisch – zumal wir aktuell ohne Kühlschrank reisen.

Danke Ritar und Bancha

In Ritar und Bancha haben wir zwei außergewöhnliche Gastgebende gefunden. Sie kümmern sich rührend und sind interessiert an ihren Gästen. So verbringen wir viel Zeit mit Austausch, auch bei gemeinsamen Mahlzeiten. An einem Nachmittag laden wir sie zu uns an den Amigo ein, der in ihrem Garten auf dem Rasen steht. Am letzten Abend fahren wir gemeinsam nach Krabi auf den Nachtmarkt.

Ich erfahre mehr über Thailand, als die Wochen zuvor und kann viele meiner Fragen stellen, die mir in den letzten Wochen in den Sinn gekommen sind.

Vielleicht sollten wir in jedem Land für ein paar Tage Kurzurlaub in einem Airbnb machen?

Bancha reist auch gerne und malt auf seinen Reisen. Er zeigt uns seine Bilder aus Ankor Wat und auch seinen Reise-Kunst-Blog, der vor Jahren einen landesweiten Preis für den besten Blog gewonnen hat.

Aktuell skizziert er seine Ideen von der Welt, wie sie in 100 Jahren ist. Ich bin fasziniert von seinen Skizzen. Angestoßen durch seine Bilder beginne ich meine Visionen vor meinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Was denkst du? Wie sieht die Welt in 100 Jahren aus?

Wie dem auch sei, es wäre schön, wenn ihr zwei, Ritar und Bancha, eines Tages nach Deutschland oder in die Niederlande reisen würdet.

Himmlischer Sonnenuntergang zum Abschied

Ganz beseelt und mit kühlem Kopf brechen wir auf zu unserem letzten Stellplatz bei Satun. Zwei Nächte stehen wir hier in einer fast einsamen Bucht direkt am Meer, kommen alle wieder zusammen und feiern zudem Kais Geburtstag. Unsere nächste Station wartet schon auf uns – Malaysia erstreckt sich als Halbinsel südlich von uns. Ich freue mich sehr auf Natur und Meer.

Wahrscheinlich hat Rosetta recht, wenn sie anhand unserer Bilder anmerkt, dass unsere Reise ab jetzt wohl mehr und mehr zum Urlaub wird…

Mit Thailand habe ich mich also ausgesöhnt. Ich kann mir gut vorstellen, noch einmal wieder zu kommen und noch die eine oder andere Insel kennen zu lernen.

Fest steht, dass ich sicher nie wieder nach Pattaya fahren werde. Hier halte ich es ausnahmsweise mal nicht mit James Bond.

Eure Saradevi
Kuala Lumpur, 05.06.2023

Unsere Reise durch Thailand im März, April & Mai 2023

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