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Im Land des Bruttonationalglücks

Vom Glück 

In Bhutan sind wir im Land des Bruttonationalglücks. Der Erfolg des Landes wird nicht anhand des Bruttosozialproduktes gemessen, sondern daran, wie glücklich die Bhutaner sind. Der Glückszustand wird in regelmäßigen Umfragen erhoben.
Deshalb sind die Menschen in Bhutan bei weitem nicht die glücklichsten Menschen auf der Welt. Das politische Handeln jedoch am Glücksempfinden seiner Bürger auszurichten, und nicht in erster Linie an Gewinn und Zuwachsraten, dass hat für mich schon etwas revolutionäres und zukunftsweisendes. 

Unser westliches System des Wachstums, der Globalisierung und des Liberalismus stößt an seine Grenzen und könnte sicher eine Korrektur oder auch einen Orientierungswechsel gebrauchen.

Natürlich bringt das System in Bhutan, einer noch sehr jungen Demokratie, auch Schwierigkeiten und Probleme mit sich. Wachstum bedeutet in gewisser Hinsicht auch Wohlstand und viele Bhutaner sind nicht wirklich wohlhabend. Gesundheitsversorgung und Bildung, die kostenfrei sind, wollen finanziert werden. Hier einen guten Weg zu finden, ist wohl nicht ganz einfach.
Wir müssen übrigens pro Tag und pro Person 180 € bezahlen, allein, um Bhutan bereisen zu dürfen. Zukünftig soll der Betrag sogar noch deutlich höher werden. Das ist schon sehr viel Geld und wird viele Menschen davon abhalten, nach Bhutan zu reisen. Als ich später erfahre, dass mit „meinen Geldern“ Gesundheitswesen und Bildungssystem finanziert werden, bin ich zumindest bezüglich des Verwendungszwecks zufrieden.

Vom Balanceakt 

An einem Abend besucht uns der Parlamentssprecher in der Hauptstadt Thimphu und spricht diese Schwierigkeiten offen an. Bhutan, welches das Klimaziel in vielfacher Hinsicht positiv einhält, hat einen großen Bestand an Wald. Diesen abzuholzen und damit Geld zu machen, würde kurzfristig zu Wachstum und mehr Wohlstand führen, langfristig jedoch neue Probleme bereiten. Von daher gehe es immer darum, die kurz- und langfristigen Ziele in Balance zu halten. Es sei wie beim Jonglieren. Alles müsse am Laufen gehalten werden und das Ganze gelinge nur im Zusammenspiel. 

Für die Zukunft setze man auf erneuerbare Energien. Der Handel mit durch Wasserkraft gewonnene Energie wäre bereits erfolgreich. Aktuell arbeite man an der Gewinnung von Solarenergie. Wind sei in Bhutan nicht ausreichend vorhanden. 

In Bhutan werden Umweltschutz und Nachhaltigkeit groß geschrieben. Es ist als klimaneutrales Land einzigartig und setzt alles daran, es auch zu bleiben. Das Land bindet mehr CO2, als es ausstößt.

Zudem sei es eine bedeutende Aufgabe, die eigenen Traditionen zu wahren und regelmäßig an die sich verändernde Lebenswelt anzupassen, ohne von einem der benachbarten Weltmächte vereinnahmt zu werden. Auch das sei ein Balanceakt, da Bhutan auf die Hilfe beider Länder angewiesen sei.

Ich hätte gern ein Eis

An einem Vormittag haben wir uns für unser Frühstück ein schönes Plätzchen mit Aussicht in unmittelbarer Nachbarschaft eines der größten Buddhafiguren der Welt gesucht. Als ich gerade aufräume und den Amigo wieder fahrbereit mache, nähert sich eine Familie. Der Mann kommt näher, klopft und frag durchs offene Fenster, ob er ein Eis haben könne. Ich bin perplex. Mir wurden schon viele Fragen auf dieser Reise gestellt, aber nach einem Eis hat noch niemand gefragt. Nachdem ich realisiert habe, dass er den Amgio für eine Eiswagen hält, fange ich laut an zu lachen und verunsichere mein Gegenüber offensichtlich. Ich kläre ihn auf, dass wir Touristen sind und hoffe, ihn mit meinem Lachen nicht zu sehr verschreckt zu haben. Aber es war einfach Situationskomik.

Selbst Google Maps ist ratlos

In den letzten drei Tagen fahren wir viele Passstraßen, erst gen Osten und schließlich südwärts Richtung indischer Grenzstation.

Die Ausblicke sind traumhaft, die Straße oftmals rudimentär. Ein Teilabschnitt der gewählten Route kennt selbst Google nicht – das habe ich noch nie erlebt.

Im Nachhinein denke ich, ist es wohl auch besser, wenn die freundliche Mitarbeiterin von Maps die Strecke nicht vorschlägt. Wir kommen oft nur mit 15 km/h im Tagesdurchschnitt voran und muten dem Amigo und uns allerhand zu, einige Streckenabschnitte sind nicht befestigt und nur für gute Fahrer meisterbar. Manfred hätte vor der Tour nicht gedacht, dass wir mit unserem Amigo überhaupt solche Strecken fahren könnten…

So unberührt und schön die Landschaft auch ist – abends freuen wir uns immer, wenn wir alle ohne größere Katastrophen wieder beisammen sind. Ein Teilnehmer mit einem der größeren Fahrzeuge bringt es an einem der Abende auf den Punkt: Es war ein super Tag und wir haben überlebt.

Pläne sind eben nur Pläne!

Aufgrund der geringen Geschwindigkeit, mit der wir unterwegs sind, ist das Programm am Ende unseres Aufenthaltes nicht mehr wie geplant umsetzbar. Eigentlich hätte das klar sein müssen, da unser Navi eigentlich sehr präzise sagen konnte, wie lange wir unterwegs sein würden.

So fahren wir die letzten drei Tage eigentlich von morgens bis abends, um unser Ziel zu erreichen. Das führt nicht nur bei mir zu etwas Verdruss. Gern hätten wir uns noch etwas angesehen oder unterwegs hier und da mal eine längere Pause gemacht.

Aus Zeitgründen wird uns schließlich davon abgeraten, den Royal Manas Nationalpark zu besuchen. Somit entfällt auch meine Geburtstagsfeier. Ich hatte dort alle zu Kaffee, Tee und Kuchen einladen. Das alles stimmt mich an dem Tag schon sehr traurig, gleichwohl ich ansonsten einen schönen Tag mit einem Abendessen in toller Umgebung nebst Lagerfeuer verlebe.
‚That’s life‘ – und geplant wird in Asien anders, da ist auch Bhutan keine Ausnahme.

Letztlich habe ich, dank Kurt, zwei Tage später nachgefeiert. Er hat am Tag nach mir Geburtstag und bot mir an, seine Feier zu verschieben! So bin ich wohl die einzige, mit einem Geburtstagskuchen, der 420  Kilometer durch Bhutan und Indien gefahren wurde. Ist doch auch was, oder?

Bleib so, wie du sein wirst!

Mit diesem Aphorismus , den ich vor vielen, vielen Jahren formuliert habe und der für mich so viel vorwärts gewandte Dynamik, aber auch Bewahrendes beinhaltet, möchte ich mich von diesem besonderen und schönen Land verabschieden. 

Möge euer Konzept euch gut durch die Zeit tragen. Möget ihr eure Kultur und eure Werte auch weiterhin gut gegenüber den euch umgebenden Weltmächten abgrenzen. Möget ihr die rechte Balance behalten und dabei das GROSSE GANZE auch weiterhin im Blick behalten.

Eure Saradevi
18.02.2023

Unserer Reise Bhutan im Januar 2023

Wir freuen uns auf den Austausch mit dir...

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ellen Dieball

    Die Geschichte mit dem Amigo-Eiswagen ist wunderbar. Ich musste so lachen.

    1. saradevi

      Ja, das finde ich auch. Du glaubst garnicht, wie verblüfft ich war? Erst habe ich gedacht, ich könnte mich verhört haben…