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Little India?

Irgendwie irreal – wir erreichen Indonesien. Noch vor zwei Wochen hatte ich nicht dran geglaubt, überhaupt weiter zu reisen. Manfred schiebe ich aufgrund seiner Verletzung am Oberschenkel im Rollstuhl über die Grenze. Alle sind sehr aufmerksam und hilfsbereit – Er muss noch nicht einmal einen Fingerabdruck abgeben.

Draußen wartet ein Reisebus. Er scheint geschrumpft zu sein. Er ist irgendwie enger und kleiner als gewöhnliche Busse. Zwerge, wie ich, haben zum Glück kein Problem. 

Wir sind in einer Wirklichkeit gelandet, die neu ist und zugleich Erinnerungen weckt. Erinnerungen an Indien. Indonesien heißt übersetzt auch „Insel Indiens“. Wir werden sehen, ob sich der erste Eindruck bewahrheitet.

Manfred hat Bewegungen des Schnellboots während der Überfahrt nicht vertragen. Nacken- und Schulterpartie sind dermaßen verspannt, dass er drei Tage lang anhaltende Kopfschmerzen ausbildet. Sein Allgemeinzustand scheint sich in der Kombination mit den Kopfschmerzen eher zu verschlechtern als zu verbessern. Er wirkt wie ein Häufchen Elend. Ich mache mir Vorwürfe, die Reise nicht abgebrochen zu haben.

Am Hafen 

Einen Tag nach uns kommen auch die Womos in Dumai an. Wir dürfen sie selbst vom Ponton fahren. Der Bus, der uns in dieses abgelegene Fleckchen des Hafenbereichs bringt, fährt sich fest. Auf dem Weg versinke ich knöcheltief im Matsch. Ehrfürchtig und voller Abenteuerlust fahren ich den Amigo vom Ponton. Es ist meine erste Bewährungsprobe in Indonesien. Ich bestehe sie und bin guter Dinge, was meine Fahrkünste anbelangt.
Beim Zoll werden wir mit Musik und Tanzdarbietungen begrüßt. Das hatten wir auch noch nicht! Allerdings haben wir auch noch nie vier Stunden auf einen Stempel im Carnet warten müssen.

Und täglich grüßt der Muezzin

Irgendwie hatte ich mir Indonesien anders vorgestellt. Eher als ruhige Oase, umgeben von wundervoller Landschaft mit malerischen Küstenabschnitten. Das gibt es sicher auch. Aber erst einmal erleben wir den ganz normalen Wahnsinn auf Sumatra, einer Insel, die fünf mal größer ist als Deutschland.

Fast neuzig Prozent der Bevölkerung Indonesiens ist muslimischen Glaubens. Das dürfen wir bereits vor Sonnenaufgang erfahren, wenn die Muezzins der benachbarten Gemeinden alle gleichzeitig aus nah und fern ihre Botschaften kundtun. In größeren Orten ist das, als höre man mehrere Echos gleichzeitig. Ein Muezzin hatte ein solches Mitteilungsbedürfnis, dass er gleich eine Stunde lang morgens sang, während ich mit einem halb offenen Auge auf meiner Uhr eine vier erahnte.
Daran gewöhnen könnte ich mich als nicht Muslimin sicher nicht. Ich erlebe die Rufe als Störung und Belästigung meines Tiefschlafs und nehme auch bei zwei unserer christlichen Guides wahr, dass sie diese Art der Religionsausübung nicht nur unter dem Gesichtspunkt des interreligiösen guten Miteinanders sehen, von dem hier immer wieder zu hören ist. Vielleicht gibt es keine Anfeindungen der Religionen untereinander. Aber eine große Liebe unter den Religionen scheint es auch hier nicht zu geben.

Arm oder reich?

Der Lebensstandard auf Sumatra ist nicht sehr hoch. Die meisten Menschen leben in Holzhäusern mit Wellblechdächern. Eine Armut, wie ich sie in machen Regionen Indiens gesehen habe, sehe ich hier nicht. Und dennoch leben viele Menschen, insbesondere auf dem Land, in sehr armen Verhältnissen. Oftmals versorgen sie sich selbst, bauen Reis und ein wenig Obst oder Gemüse an.

Wenn wir Essen gehen, geben wir zu zweit, mit Getränken, häufig nicht mehr als fünf Euro aus. So günstig war das nirgends auf der ganzen Reise und ändert sich ab Java wieder. Hier zahlen wir erstaunlicher Weise fast das Doppelte, was immer noch wenig ist. Aber es ist das selbe Land – das wundert uns schon sehr.

Wie kann das sein, dass die Menschen in einem Land, das so reich an Bodenschätzen ist, keinen höheren Wohlstand haben? Unsere Landesguides erläutern, dass es die Kolonialmächte gut verstanden, die Bodenschätze bis heute vertraglich für sich zu nutzen. Erst in den letzten Jahren wäre damit begonnen worden, die Rohstoffe im eigenen Land industriell zu verwerten, anstatt sie ins Ausland zu verschiffen, um sie dann als teueres Endprodukt wieder einzukaufen.

Gemüse?

In den zwei gängigen Supermarktketten gibt es keine frischen Lebensmittel. Die kauft man am Straßenrand oder auf Märkten. Obst gibt es in allen Facetten, auch Arten, die ich bislang nicht kannte, wie die Schlangenfrucht, die neuerdings täglich auf meinem Speiseplan steht. Gemüse muss man häufig richtig suchen und erhält auch nur das, was gerade geerntet wurde. Als wir irgendwann mal wieder Möhren erspähen, halten wir direkt an und kaufen Zutaten für einen abendlichen Salat.

Uniformiert

Wie schon so häufig, beobachten wir auch hier, dass Kinder Schuluniformen tragen. Es sind an verschiedenen Wochentagen sogar unterschiedliche: normale, sportliche, traditionelle. Ich bin mir nicht so ganz sicher, welche Haltung ich dazu habe. Grundsätzlich finde ich es eine gute Idee, sehe aber Probleme bei der Umsetzung. Hier in Indonesien ist es so, dass die Schule für die Uniform zuständig ist, diese kauft und an die Kinder weitergibt. So sollen Unterschiede vermieden werden, die es trotz Einheitlichkeit sonst gibt. Das wiederum finde ich gut. In anderen Ländern konnte ich den Grad des Wohlstands an der Kleidung der Kinder deutlich wahrnehmen. Das habe ich hier nicht so erlebt.

Verkehrspolizei – Fehlanzeige

Sumatra und Java gehören zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt. Auch das hat sich meiner bisherigen Kenntnis entzogen. 

Mir ist es, als würde ich die meisten von ihnen auf den Straßen  antreffen, während sie sich im Freestyle üben. Als wir nach den Verkehrsregeln fragen, benennt uns unser Guide ein paar Regeln, sagt aber auch, dass es letztlich keine Verkehrspolizei gebe.
Was also würden wir machen, wenn quasi nichts verboten oder anders gesagt, quasi alles erlaubt wäre auf deutschen Straßen? Würden wir auch mit der ganzen Familie zu fünft ohne Helm einen Ausflug auf dem Moped machen, bei Rot über die Ampel fahren, einfach vom Seitenrand losfahren, ohne nach hinten zu schauen oder von links und rechts gleichzeitig überholen?

Es dauert ungefähr drei Tage, bis ich mich als Fahrerin akklimatisiert habe. Mein monatelanges Beifahren hat mich so für den Linksverkehr geschult, dass ich erstaunlicherweise keinerlei Probleme damit habe. Schnell habe ich raus, einfach im Verkehr mitzufließen, nicht nach hinten zu schauen und stets wachsam zu sein. Allein ein längerer Blick in den Rückspiegel oder aus dem Fenster und du bist raus und bekommst nicht mehr mit, wenn vor dir ein Fußgänger oder Verkehrsteilnehmer einfach losläuft oder -fährt. Wahrscheinlich ist die Teilnahme im Verkehr einfach eine kollektive tägliche Achtsamkeitsübung.
Allein in den ersten zwei Tagen hätte ich in Deutschland gefühlt viermal den Führerschein abgeben müssen. Aber ich wollte lieber kein Verkehrshindernis sein und habe mich angepasst.

Sumatra zieht an mir vorbei

Sumatra ist riesig; sie ist die sechstgrößte Insel der Welt. Wir sitzen täglich gefühlt vom Frühstück bis zum Abendessen in Amigo und haben am Ende des Tages oft nicht mehr als zwei- bis dreihundert Tageskilometer auf dem Tacho. Auf den Landstraßen können wir maximal 60 km/h fahren. Auf manchen Streckenabschnitten wechseln sich schlechte Straßen mit noch schlechteren ab. Wenn die Straßenverhältnisse gut sind, ist Obacht geboten, weil sich dies jederzeit ändern kann. Wir fahren 13 Tage ohne Pausentag und haben oft noch einen Programmpunkt nach Ankunft. Mich schafft die ganze Fahrerei sehr, zumal ich in dieser Zeit aufgrund Manfreds Verletzung für alles zuständig und auch nicht so ganz ausgeschlafen bin. Eine Woche lang schlafe ich unten auf dem Fußboden auf einer Yogamatte. Manfred kann sich im Bett oben nur drehen, wenn er den gesamten Platz hat. Unten im Amigo kann er nicht schlafen. Immerhin haben wir den Notschlafplatz – das zahlt sich jetzt aus.

Als fast drei der acht Wochen in Indonesien vorbei sind, habe ich den Eindruck, Indonesien zieht an mir vorbei. Dabei hatte ich gedacht, dass dies eines der Highlights für mich wäre…

Orang Utans

Eines der zwei Highlights auf Sumatra ist die Fahrt in den Nationalpark bei Bukit Lawang, wo wir auf dem Trekkingweg gleich vier Orang Utans in freier Wildbahn antreffen. In den Wäldern hier leben wohl einige tausend. Es sind jedoch immer die selben, die täglich am Rande des Dorfes vorbeischauen. Der Führer kann sie namentlich vorstellen und kennt ihre Familiengeschichte. Es ist trotzdem ein tolles Erlebnis, sie in ihrem natürlichen Lebensraum anzutreffen. Im eigentlichen Sinne ist es ein Schauspiel, bei dem ich mich frage, wer eigentlich wen gerade beobachtet…

Ernten der Palmölfrucht

Die Fahrt dorthin führt durch Palmplantagen. Unterwegs stoppen wir und bekommen von einem Mitarbeiter gezeigt, wie die Palmölfrucht mit einem Messer geerntet wird, dass an einem langen Stab befestigt ist. Bis zu siebzig Früchte erntet er täglich. Diese werden dann an bestimmten Sammelstellen am Straßenrand abgelegt. Die haben wir bereits überall im Land gesehen.

Back to the roots

Die Menschen in Indonesien leben ihre Traditionen offensichtlicher, als ich es in Deutschland wahrnehme. Seit unserer Ankunft in Dumai haben wir an etlichen Abenden Tanzvorführungen mit traditioneller Musik besucht. Die Tänzer und Tänzerinnen tragen traditionelle Kleidung, oft mit extravagantem Kopfschmuck, der auch schon mal sehr schwer sein kann.

An einem Tag machen wir eine Bootsfahrt auf dem Tobasee. Wir besuchen die Vulkaninsel Samosir. Während der Bootsfahrt spielt einer Gruppe ebenfalls traditionelle indonesische Musik auf landestypischen Holzinstrumenten. Die Musiker sind – wie schon so oft –  junge Menschen. Die Musik klingt in meinen Ohren zeitlos und modern zugleich. Mir gefällt sie gut. Die Band spielt mit großer Freude, was die Musik für mich noch besonderer werden lässt.

Auf der Insel besuchen wir eine unter ökologischen Gesichtspunkten geführte Farm und Essen dort auch zu Mittag. Alles ist frisch zubereitet und aus eigenem Anbau. Der Besitzer ist ein Deutscher, der diese Farm seit vielen Jahren mit seiner indonesichen Frau aufgebaut hat. Er nutzt die Ressourcen und die Artenvielfalt und verbindet altes Wissen und moderne Anbauformen. Viele der Einheimischen hätten ihn als verrückt erklärt, als er anfangs von seinen Plänen berichtet. Jetzt, wo er die Früchte seiner Anbaukunst ernten kann, kommen immer mehr Einheimische, um bei ihm zu arbeiten und von ihm zu lernen. Einige siedeln wieder auf der Insel an, um ihre eigene Natur und die hier vorhandenen Schätze neu zu entdecken und ein Verständnis dafür zu bekommen, wie sich Leben und Arbeiten an Orten wie diesem verbinden lassen.
Wir führen kontroverse Diskussionen darüber, ob eine solche Lebensweise überall möglich ist. Wünschenswert sicher, darüber sind wir uns einig.

Ohne Krücken

Die Infrastruktur ist nicht die beste. An Fußgänger hat bei der Planung niemand gedacht – wahrscheinlich, weil auch niemand zu Fuß geht. Jedenfalls läuft es sich auf Krücken nicht so gut. Das darf Manfred allerorts erleben. Als es ihm etwas besser geht und er den ersten Ausflug absolviert hat, entscheidet er, künftig ohne Krücken zugehen.

Wir sind gerade in Zentralsumatra unterwegs und halten für einen Kaffee gemeinsam mit Ulrike und Wilhelm an einem kleinen Restaurant. Wir bekommen zum Kaffee Teigtaschen angeboten. Sie sind mit Kartoffeln und Weißkohl gefüllt und schmecken herrlich. Nachdem wir mit den Einheimischen ins Gespräch gekommen sind, kommt mir die Idee die Krücken aus dem Amigo zu holen und zu fragen, ob sie vielleicht jemand gebrauchen könne. Eine Frau kann ihr Glück kaum fassen. Sie bestaunt die Krücken, lässt sich die Funktionen erklären und meint dann, dass ihre Mutter nicht mehr fähig ist, ohne Gehilfe zu laufen. Vielleicht wäre es möglich, dass sie mit den Krücken wieder laufen könne. Sie stellt die Krücken auf die vermeintliche Größe ein und ist überglücklich. Wir letztlich auch. Wir machen noch ein paar gemeinsame Fotos und bestaunen die Küche des Restaurants. Ich kenne viele Menschen, die nach dem Anblick einer solch armseligen und schlichen Küche, mit einem Spüleimer auf dem Boden sicher nichts gegessen hätten. Aber: Es waren mit die besten Teigtaschen auf der gesamten Reise…

Manfred und der Beifahrerkurs

Wenn irgendetwas schief ging, hatte Manfred aus Scherz bereits  in Georgien gesagt, ich solle mal einen Beifahrerkurs besuchen. Was es bedeutet, diesen nicht gemacht zu haben, erlebt er nun am eigenen Leib. Wir sind längst ein eingespieltes Team, das jetzt – mit vertauschten Rollen – neu auf die Probe gestellt wird. Gleichzeitig verlässliche Ansagen zu machen, wann überholt werden kann (der Gegenverkehr ist für den Fahrer nicht gut einsichtig), veränderte Streckenverläufe einzugeben, nach Cafés innerhalb der nächsten Fahrstunde Ausschau zu halten und mit anderen Gruppenteilnehmern im Kontakt zu bleiben, erfordert ein Höchstmaß an Konzentration und die Beherrschung diverser Apps im Zusammenspiel.
Letztlich hat Manfred mit dem Wechsel sicher mehr Probleme als ich. Mir machte das Fahren sogar Freude. Die oft brenzligen Situationen im Straßenverkehr selbst zu meistern, ist für mich weniger kräftezehrend, als die Situationen als Beifahrer, quasi im Gegenverkehr sitzend, auszuhalten.

Leider gesteht Manfred mir nach einer Woche als Beifahrer, dass er für den Beifahrerkurs nicht zugelassen wurde. Er sei schon zu alt, um all diese Dinge zu erlernen. 

Als die dritte Woche in Indonesien anbricht, ist er wieder fit genug und übernimmt mit Freude das Steuer. Ich bin bis dahin gut 1900 Kilometer gefahren und dankbar, dass alles gut gegangen ist.

0°00’00.0“N 100°13’13.1“E

Immer wieder haben wir darüber gesprochen – eines Tages ist es soweit. Wir passieren den Äquator. Ich bin in meinem Leben noch nie so weit südlich gewesen und schon gar nicht mit dem eigenen Auto. Es ist ergreifend und unspektakulär zugleich. Wir sind wohl an diesem Tag fast die einzigen, die hier aussteigen, sich umschauen und Fotos machen. Letztlich trinken wir noch einen Kaffee genau auf der Äquatorlinie und setzen die Fahrt dann gen Süden fort.

Aufgeschlossen und interessiert

Die Menschen, mit denen ich in Kontakt komme, sind aufgeschlossen, freundlich und interessiert. Auch in Indonesien werden wir mit offenen Armen empfangen. Wir fahren durch gänzlich untouristische Gegenden, in denen man uns bittet, Werbung für diese Regionen zu machen. Der Tourismus ist ein wichtiges Standbein in Indonesien und alle wollen eine Scheibe davon ab haben.
Anders als in vielen anderen Ländern auf dieser Reise, erklärt niemand, nach Deutschland zu wollen, um dort zu arbeiten oder zu leben. Gleichwohl habe ich auch hier den Eindruck, dass Deutschland in einem positiven Licht steht und einen guten Ruf hat. 

Kinder, die uns vorbeifahren sehen, jubeln uns häufig zu. Diese freudigen Rufe haben sich tief in meinem Bewusstsein eingegraben. Eine solche unmittelbare, offene Freude und Begeisterungsfähigkeit habe ich bei Kindern und Jugendlichen in unseren Breitengraden selten erlebt.

Java

Mit der Überfahrt nach Java beginnt das eigentliche Inselhopping. Von nun an werden wir uns ostwärts bewegen und alle paar Tage die Insel wechseln.

Den Vulkan Krakatau, der zwischen Sumatra und Java liegt, können wir leider nicht besuchen. Er ist in den letzten Wochen zu aktiv gewesen. Indonesien liegt auf dem Feuerring, was bedeutet, dass viele Vulkane die Landschaft bis heute prägen und etliche von ihnen auch noch aktiv sind. 

Stop and go

Auf Java erleben wir nicht nur die Bewohner auf den Straßen, sondern auch, wie es ist, wenn alle das gleiche Ziel haben wie wir. Es sind Ferien. Über Stunden stehen wir im Stau. Ich habe in den letzten Jahren schon verlernt, wie sich das anfühlt.

Tangkuban am Morgen

Aber es lohnt sich. Noch vor Sonnenaufgang fahren wir bis an den Kraterrand des Tangkuban. Es ist der erste aktive Vulkan, dessen Krater ich aus nächster Nähe bestaune. Jede Perspektive ist besonders. Leider dürfen wir die geplante Wanderung um einen Teil des Kraters nicht unternehmen. Es sei zu gefährlich, die Dämpfe einzuatmen. Schade, aber dennoch ein tolles Erlebnis.

Teekesselchen Bintang

Bintang heißt das indonesische Bier, aber es ist auch der Name unseres Reiseleiters. An einem Tag sind wir zu Gast bei seiner Familie auf dem Anwesen seiner Eltern. Die Kinder haben entschieden, dieses nicht aufzuteilen, sondern gemeinsam zu nutzen. Somit haben sie mehr Optionen als diejenigen, die Grundstücke mit jeder neuen Generation teilen, bis schließlich niemand mehr etwas mit den kleinen Grundstücke anfangen kann. Stolz zeigt Bintang uns die Ländereien sowie den darauf betriebenen Anbau.
Seine Schwester hat einige junge Menschen eines Sportclubs eingeladen, die uns die landestypischen Sportarten wie Bogenschießen, Tauziehen, Stelzenlaufen, u.ä. zeigen und uns zum Mitmachen animieren. Es ist ein schöner Nachmittag mit vielen lustigen Begebenheiten. Völkerverständigung by doing – so liebe ich es, neue Dinge und Kulturen kennen zu lernen.. 

Man muss auch mal ein Highlight auslassen

Eine Erkältung macht die Runde. Mit mir weiß sie nichts so genau anzufangen. Ich fühle mich ein paar Tage ziemlich schlapp, habe aber keine deutlichen Symptome. Mir fällt alles schwer, dass ich zwischenzeitlich einen kleinen Berg voller Aufgaben vor mir her schiebe und abends nicht mehr in der Lage bin, noch etwas zu erledigen. So entscheide ich mich gegen einen Besuch im Sultanpalast von Yogyakarta und bleibe mal einen Tag im Amigo. Es ist herrlich, alles im eigenen Tempo und ohne Zeitdruck erledigen zu können. Dafür bin ich am folgenden Tag dabei, als wir die alten religiösen Stätten in Borobudur und Prambanan ansehen. Ein Highlight am Abend ist der Besuch des Schattenspieltheaters. Unser Guide erläutert uns die vormalige gesellschaftliche Wichtigkeit des Schattenspiels. Dann dürfen wir uns das Stück von vor und hinter der Bühne anschauen. Es ist eine hohe handwerkliche Kunst, die Figuren synchron zur Musik zu führen. Der Erzähler fertigt seine Figuren aus Büffelhaut selber an und ist selbst verantwortlich für die komplette Logistik, nebst Mitarbeitern. 

Vulkan im Nebel

Wir stehen mitten in der Nacht auf, um den Vulkan Bromo sowie die wunderschöne, ihn umgebende Landschaft bei Sonnenaufgang zu bestaunen. Leider sehen wir nur Nebel und Dunst. Zudem regnet es und es ist kalt. Ich habe ein Dejavue und muss an unseren Aufstieg zum Preikestolen in Norwegen denken, als uns der Blick in den Fjord ebenfalls vom Neben verwehrt blieb.

Ich schließe mich trotz allem dem Trüppchen an, die noch zum Krater laufen und werde von wunderschönen Blicken auf den Kraterrand belohnt. Den Kratersee gibt der Nebel nicht frei.

Tanz auf dem Vulkan

Ein paar Tage später campieren wir unweit des Vulkans Ijen, der einen wunderschönen Kratersee haben soll. Ich möchte ihn tagsüber besteigen und bitte Manfred die Route entsprechend auszusuchen. So fahren wir durch eine traumhaft schöne Landschaft mit tollen Aussichten bis zum Nationalpark, wo ich am Eingang erfahre, dass ich fünf Minuten zu spät bin. Einlass sei nur bis 12 Uhr. Ich bin entsetzt  – es sind nur fünf Minuten. Nirgends hatten Zeiten gestanden. Letztlich haben die Mitarbeiter ein Einsehen, ich bekomme mein Ticket (Manfred fühlt sich für eine Wanderung noch nicht fit genug) und starte mit Abstand als letzte. Der Aufstieg dauert knapp über eine Stunde. Die meisten Starten zum Sonnenaufgang morgens um vier. Vereinzelt kommen mir Besucher entgegen. Hin und wieder auch Mitarbeiter, die den abgebauten Schwefel auf Schubkarren mühsam den Berg runtersschaffen. Oben angekommen realisiere ich, dass ich alleine bin. Ich hatte im Vorfeld mit Menschenmassen gerechnet. Eine Familie, die sich das Umfeld angeschaut hat, läuft noch an mir vorbei – dann bin ich ganz alleine am Krater. Ich kann mein Glück kaum fassen. Der Nebel reisst auf, neuer zieht durch, die Sonne erscheint und verschwindet wieder.. Ich bekomme immer wieder neue Ansichten auf den See und die umliegenden Berge zu sehen, schrei laut vor Begeisterung und tanze. Ich bin ganz aus dem Häuschen. Was für ein unendliches Glück. Schade, dass ich das nicht mit Manfred teilen konnte.

Bali

Von Java aus fahren wir mit dem Boot in einen Nationalpark zum Schnorcheln. Der Park gehört schon zu Bali, unserem nächsten Ziel. Zweimal tauchen wir unter und ein in eine ganz eigene Welt. Es ist immer wieder faszinierend, am Riff entlang zu schnorcheln und sich das bunte Treiben aus nächster Nähe anzuschauen. Viele Riffs sind vom Aussterben bedroht. Das ist ein Jammer. Die Meere werden immer wärmer. Das ist auch in Indonesien ein Thema. Umweltverschmutzung, u.a. in Form von Plastik im Meer, kommen hinzu. Ich bin entsetzt, wie viel Palstik ich auf dieser Reise in den Meeren hab schwimmen sehen. Wir Menschen schaufeln ganz langsam erst der Natur, und dann auch den Menschen, ihr eigenes Grab. Das ist so traurig mit anzusehen, auch wenn es hier im Nationalpark noch nicht so schlimm ist.

Touristisch untouristisch

Auf Bali sind wir ganze drei Nächte. Das finde ich persönlich sehr kurz, wo doch viele deutsche Touristen so von Bali schwärmen. Bali soll sich stark verändert haben, hören wir immer wieder von Urlaubern. Das kann ich am Ende nicht beurteilen, weil wir eigentlich, abgesehen vom Besuch des Muttertempels, der Tempel Pura Tanah Lot und Pura Ulun Danu Beratan Bedugul und der Jatiluwih Reisterassen, die zum Weltkulturerbe gehören, nur untouristisch unterwegs sind.

Touristenhochburgen und klassische Strände besuchen wir nicht. Vielmehr fahren wir kreuz und quer über die Insel, verfahren uns auch gerne mal und erleben viele einheimische Feste, die typisch indonesisch auch direkt am Straßenrand stattfinden. Zum einen wird an den Wochenenden viel geheiratet. Zum anderen finden Zeremonien zum Gedenken der Toten statt. Bali ist überwiegend buddhistisch geprägt, Muslime sind hier in der Minderheit. Die Inseln weiter gen Osten sind überwiegend christlich geprägt.

Bali gefällt uns gut. Die Insel ist klein und so bekommen wir fahrend einen guten Überblick, insbesondere vom Landesinnere.

Überfahrt mit Küken

Nach Lombok begleiten uns gleich mehrere Transporter mit Küken. Die Überfahrt dauert mehrere Stunden. Die armen Küken sind eingepfercht in Kartons und müssen bei den heißen Temperaturen ohne Wasser und Nahrung auskommen. Der Gestank ist irgendwann fast unerträglich. Mir tun die Tiere so leid. Am liebsten würde ich sich frei lassen. Aber Manfred hat recht, als er mich fragt: Und dann? Dann würden die Küken auf der Fähre herum irren und sie wären wahrscheinlich noch gestresster…

Tradition trifft Moderne

Auf Lombok fahren wir quer über die Insel und besuchen das Dorf Senaru. Hier leben Menschen noch ihre alten Traditionen, auch in Häusern ohne Strom, die ganz schlicht eingerichtet sind. Es gibt ganz klare Vorschriften, wer wo in einem Haus zu schlafen hat. Ein Zimmer ist den unverheirateten Mädchen vorbehalten. Zum Teil teilen sich mehrere Personen ein Bett. Auch gibt es Regeln, was ein Mann besitzen muss, bevor er heiratet – zum Beispiel einen Vogel. Ich hatte mich schon gewundert, warum überall in den Dörfern Vogelkäfige zu sehen sind. 

Die Menschen – hier am Fuße des Vukans Rinjani, leben von der Landwirtschaft und der Fischerei. Sie bauen unter anderem Reis, Kaffee und Kakao an. Oftmals sind sie vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang unterwegs, um den Unterhalt für ihre Familien zu bestreiten. 

Eine Hand voll junger Frauen bietet Rundgänge wie unseren durchs Dorf an, um das Leben hier erfahrbar zu machen und die Traditionen lebendig zu halten. 

Stolz zeigen uns, berichten sie uns, von den Menschen hier. Sie selbst haben hier ihre Wurzeln und leben dennoch in einer anderen Welt mit Handy und Internet. Es wirkt so, als wären sie selber die Brücke zwischen Moderne und Tradition, bei dem Versuch, die traditionelle Lebensweise in ihr Leben zu integrieren.

Eure Saradevi
Whakatiwai, 10.09.2023

Unsere Reise durch Indonesien von Juni bis August 2023

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