Im Grenzbereich zwischen Vietnam und Laos fahren wir acht Kilometer durch Niemandsland. Seit zwei Tagen sind wir damit beschäftigt, uns Dinge über Laos anzulesen. Manfred und ich verbinden einfach nichts mit diesem Land, haben keinen Ankerpunkt und sind selber überrascht darüber.
Immerhin bekommen wir bei Einreise im zweiten Anlauf einen Einreisestempel in unser neues Carnet, so dass der ADAC in München in der Lage ist, das getauschte und bereits zurückgesandte Carnet weiter zu bearbeiten. Innerhalb von zwei Stunden erhalten wir aus München die Rückmeldung, dass alles seinen Lauf nimmt, die Kaution minimiert wurde und das restliche Geld auf dem Weg auf unser Konto ist.
Entlang des Nam Nua im Nordosten von Laos
Die ersten Stunden fahren wir durch Straßendörfer, entlang des Flusses Nam Nua. Der Unterschied zu Vietnam fällt sofort ins Auge. Die Menschen hier leben in deutlich ärmlicheren Verhältnissen. Das Leben spielt sich draußen ab, oftmals unweit der Straße. Überall spielen auch Kinder allen Alters direkt auf oder neben der Straße. Wir werden winkend begrüßt – viel Verkehr gibt es hier nicht. Meist sind es Motorroller, mit denen wir die Straße teilen. Viele Familie sitzen vor ihren Häusern und essen gemeinsam. Es ist Montag mittags und die Szenerie wirkt irritierend. Wir lesen nach. Das dreitätige Neujahrsfest liegt gerade einen Tag zurück. Es wird aber wohl bis zu einer Woche lang gefeiert, erfahren wir später.
Was macht ihr nur?
Den ganzen Tag über sehen wir immer wieder abgebrannte Hänge und fahren durch Regionen, in denen Wälder gerade vernichtet werden. An einem unserer Stellplätze kann man das Feuer am Hang so deutlich hören, dass wir alle fassungslos da stehen und in Richtung der meterhohen Flammen blicken. Zunächst hatte ich gedacht, Pferde würden sich nähern; das Geräusch von brennenden Wäldern befand sich glücklicherweise noch nicht in meinem Erinnerungsschatz.
Unser Guide erklärt uns, dass die Volksstämme im Norden vor dem Monsun im Mai Felder, bewaldete Hügel und Berge Roden, um mit Beginn der Regenzeit Reis anzupflanzen. Das sei zwar verboten, aber würde immer noch gemacht. Die Menschen hier würden vom Reisanbau leben. Auch hier gilt offenbar Wachstum um jeden Preis…
Verboten und verboten
Wieder sind wir in einem kommunistischen Staat unterwegs. Wir haben so viele Guides dabei, dass ich nicht mehr durchblicke. Alle sind stets freundlich und um unser Wohl bemüht. Sogar ein Polizist begleitet uns die ganze Zeit. Abweichen von der Route oder freies Stehen mit dem Wohnmobil über Nacht sind strickt verboten. Über Tag dürfen wir frei fahren – viele Optionen, zum Ziel zu kommen gibt es ohnehin nicht.
Ich habe diesmal den Eindruck, dass gut auf uns aufgepasst wird. Polizeikontrollen lassen uns stets freundlich passieren, während die Einheimischen kontrolliert werden. Wir werden augenscheinlich überall erwartet.
Letztlich kann ich den Widerspruch für mich nicht auflösen. Einerseits wird viel kontrolliert und verboten, andererseits jedoch scheint es unmöglich zu sein, die Brandroder zu erwischen. Ich jedenfalls kann ihnen täglich bei der Arbeit zusehen und habe nicht den Eindruck, dass seitens der Regierung etwas unternommen wird, um das Problem in den Griff zu bekommen. Wahrscheinlich müsste man die betroffenen Menschen in irgendeiner Weise unterstützen, wenn man ihnen untersagt, ihre Anbaufläche stetig zu vergrößern, um Hunger zu vermeiden.
Letztlich ist es ein Problem für uns alle. Wälder werden vernichtet, der CO2 Ausstoß ist enorm und die Menschen in der Region leiden extrem unter dem Smog. Uns erreichen während unseres Aufenthaltes immer wieder Nachrichten, dass sich Hunderttausende Thailänder aufgrund des Smogs in diesem Frühjahr in ärztliche Behandlung begeben mussten.
Die Qual der Wahl
Bereits am ersten Mittag gehen wir in einem Dorf im Nordosten etwas Essen. Die Speisekarte an der Wand ist überraschender Weise auch auf Englisch – Englisch sprechen hier im Nordosten nur sehr wenige Menschen. Manfred freut sich sogleich auf einen Pancake. Die Wahl ist letztlich einfach. Es gibt nur Suppe, erklärt man uns – diese jedoch in vielen Varianten. Wir wählen die vegetarische Variante mit Ei. Sie ist köstlich und führt uns die nötigen Mineralien zurück, die wir von morgens bis abends ausschwitzen. Die Hitze haben wir offensichtlich aus Vietnam mitgenommen. Sie wird uns wohl noch bis Indonesien begleiten. Von daher finde ich es zwischenzeitlich nicht mehr verwunderlich, dass die Menschen in Südostasien Suppe bereits zum Frühstück essen.
Wenn der Kopf mit isst
Am Abend haben wir aufgrund der andauernden Feierlichkeiten zu Neujahr Schwierigkeiten, ein geöffnetes Lokal zu finden. Letztlich werden wir an einem Straßengrill fündig. Ein Kunde, der englisch spricht, klärt, dass wir bleiben dürfen und etwas bekommen. Wir setzen uns auf die bereit gestellten Plastikstühle und studieren die Bilder auf der Speisekarte. Eine Übersetzung gibt es nur ins Chinesische. Wir hatten schon gelesen, dass sich die Küche sehr an der chinesischen orientiert und die ist hier offensichtlich eher traditionell. Außerdem sind wir bereits im fünften Land auf dieser Reise, das nicht weit von der Grenze zu China entfernt liegt.
Letztlich gehe ich zur Kühltheke und wähle für jeden von uns sechs Spieße, je zwei mit Kartoffelscheiben, Paprika und Fleisch.
Der Grillmeister legt los und serviert uns unsere Spieße überzogen mit einer überaus scharfen Sauce, die ich erst einmal abstreife. Dazu wird warmes Bier in Gläser voller Eiswürfel ausgeschenkt. Letzteres hatten wir schon in Vietnam gesehen. Die Spieße sind sehr pikant. Nur das Fleisch kann ich geschmacklich so gar nicht zuordnen. Es schmeckt mir auch nicht wirklich – ich hatte gedacht, es wäre Rindfleisch. Mein zweiter Fleischspieß wandert also auf Manfreds Teller. Erstmals auf dieser Reise habe ich den Eindruck, etwas zu essen, was ich gar nicht essen wollen würde, wenn ich wüsste, was es ist… Das Kopfkino beginnt augenblicklich und präsentiert mir Szenen von chinesischen Märkten, die ich nur aus dem Fernsehen kenne.
Ein Reiseteilnehmer beruhigt mich später, dass es sicher nicht Hund oder Katze waren. Das seien eher Delikatessen. Letztlich gehen die Meinungen auseinander und ich bin eine Erfahrung reicher.
Stadt…
Luang Prabang ist die erste größere Stadt, in die wir fahren. Sie ist zwar touristisch, aber mit eigenem Charakter und auf eine Art lebendig – das gefällt mir gut. Hier stehen wir bei fast 40 Grad auf einem betonierten Hotelparkplatz und versuchen uns irgendwie daran zu gewöhnen, bei nächtlichen 35 Grad im Amigo zu schlafen. So recht will mir das nicht gelingen und ich bin froh über jede Stunde, die wir am zweiten Abend länger in einer Kneipe bleiben, in der überraschender Weise Livemusik gespielt wird.
In Luang Prabang schauen wir uns die ehrwürdigen Tempel an, unternehmen aber auch interessante Ausflüge in die Umgebung. Die Bootsfahrt auf dem Mekong zu den Pak Ou Höhlen und die Tour zu dem Kuang Si Wasserfall, in dessen terrassenartigen Pools wir schwimmen konnten, sind für mich die Highlights.
Außerdem besuchen wir eine Büffelmilchfarm, die zwei Amerikanerinnen in diesem doch so fremden Land aufgezogen haben. Sie hatten einst auf dem Markt gefragt, wo es denn Büffelmilch zu kaufen gibt und nur in erstaunte Gesichter geschaut. Büffelmilch – so etwas gibt es? Es ist erfrischend zuzuhören, wie sie ihren Traum hier nachhaltig und unter biologischen Vorzeichen leben und mit den Einheimischen einen Weg gefunden haben, um Traditionen und Wissenschaft in Einklang zu bringen.
Abends bummeln wir gemütlich über den Nachtmarkt, von denen es hier viele gibt – kein Wunder vor Einbruch der Dunkelheit möchte bei dieser Hitze sicher niemand über einen Markt bummeln.
… Land, Fluss
Landschaftlich ist Laos traumhaft schön. Wenn man von der Brandrodung absieht, durchfahren wir südwärts eine dicht bewaldete, hügelige Landschaft, die immer wieder wunderschöne Blicke freigibt. Ich bin verwundert über so viel Grün, obwohl es seit Monaten kaum geregnet hat.
Für drei Nächte stehen wir in Vang Vieng vor einer Urwaldkulisse nahe einer Grotte, die von einem Fluss gespeist wird. Eine Lagune ist fußläufig zu erreichen. Die Anlage ist sehr modern und gut gepflegt. Ab und an kommen andere Touristen, um durch die Grotte zu schwimmen. Es wirkt auf diesem Platz fast so, als wären wir in einer Oase, mitten in Laos.
Wir erfreuen uns sehr an der Natur, gehen schwimmen, ziplinen und genießen die Abende in geselliger Runde, auch Dank der Grillkünste von Felix.
Beerlao, wohin das Auge blickt
Wir trinken neben dem obligatorischen Kaffee täglich viele Liter Wasser. Ab und an auch eine Cola Zero oder ein Schweppes Lemon. Abends dann bei Ankunft oder zum Essen auch gerne mal ein (Ankunfts-)Bier. Hier in Laos scheint es nur eine Brauerei zu geben. Deren Bier heißt ganz simple „Beerlao“. Das Logo ist den ganzen Tag über präsent, ob als Werbeträger, auf Kästen vor fast jedem Haus, auf Werbebannern vor Lebensmittelläden und sogar über der Straße gespannt. Es ist das Logo, was uns überall hin begleitet bzw. schon auf uns wartet. Selten in meinem Leben habe ich so viel Werbung für eine Biersorte gesehen. Leider dürfen wir die Brauerei nicht besichtigen. Aber immerhin haben wir das eine oder andere Beerlao verköstigt und uns als treue Fans erwiesen.
Wer oder was ist Vientiane
Hand auf’s Herz. Wer hat schon einmal den Namen Vientiane gehört? Ich musste selbst während des Aufenthaltes ein paar Mal nachschauen, wie Laos Hauptstadt tatsächlich heißt.
Genau so unscheinbar kommt sie auch daher. Wären nicht ein paar Tempel zu bestaunen sowie Präsidentenpalast und Triumphbogen zu sehen – ich hätte niemals angenommen, in einer Hauptstadt zu sein.
Nach der Tempelbesichtigung laufen wir an der ausgewiesenen Uferpromenade des Mekong entlang. Hierfür müssen wir zunächst einen zugemüllten Fluss überqueren und kommen an eine Straße, die parallel zum weit entfernten Mekong verläuft, aber alles andere als schön ist. Auf dem Weg finden wir ein großes Plakat, auf dem die Vision von diesem Stadtteil abgebildet ist.
So sehr ich mich auch anstrenge, ich kann mir bei Leibe nicht vorstellen, dass dieser Stadtteil hier in absehbarer Zeit entsteht. Er passt so gar nicht zu dem Rest der Stadt und eigentlich auch nicht zum Rest des bislang bereisten Landes.
Vielleicht ist es auch eines der chinesischen Projekte, die überall in Südostasien zu finden sind. Die Chinesen bauen Straßen, Eisenbahnnetze, ganze Stadtteile – aus Freundschaft, versteht sich. Das ist jedenfalls überall zu lesen. Eine gute Infrastruktur erleichtert sicher das Leben in den Ländern, vergrößert aber auch den Einfluss und die Möglichkeiten von China. Ist das nun gut oder schlecht? Hier gehen die Meinungen auseinander. Klug ist es auf jeden Fall.
Die erste Poolparty meines Lebens
Mein Highlight in Vientiane ist und bleibt die Poolparty anlässlich Beatrice 60. Geburtstags. Ich war noch nie auf einer Poolparty, wie eigentlich fast alle. Es ist schön, sich in der Hitze einfach ein wenig abzukühlen, gemütlich mit einem Drink im Pool zu sitzen oder zu stehen und Fingerfood vom Büffet zu naschen. Streckenweise ist die Stimmung ausgelassen und es macht richtig Spaß. Lieben Dank Beatrice, für diese schöne Erfahrung.
Kultivierter Stillstand?
Unser Aufenthalt in Laos war nur sehr kurz. Von daher wage ich mir gar kein Urteil zu erlauben. Die Menschen hier habe ich als wenig aufdringlich, freundlich und zurückhaltend erlebt. Für meinen Geschmack hätte ich mir hier und da etwas mehr Dynamik und Veränderungswillen gewünscht. Insbesondere an unaufgeräumten oder vollgemüllten Orten. Ich werde nie verstehen, wie man gemütlich am Tisch sitzend in einen Müllhaufen gucken kann. Es darf allerdings der Hinweis nicht fehlen, dass es ganze Landzüge gab, die frei von Müll waren, während sich in anderen Landesteilen der Müll wieder am Straßenrand türmte. Solche Unterschiede hätte ich in einem solch kleinen Land nicht erwartet.
Wenn ich genauer darüber nachdenke, habe ich ein Land im Stillstand erlebt. Mag sein, dass das ein Teil den Feierlichkeiten rund um das neue Jahr geschuldet war und auch Corona Vieles zum Stillstand gebracht hat. Aber das allein ist es nicht. In Kambodscha und Vietnam habe ich das ganz anders erlebt. Wahrscheinlich ist das auch eine Frage der Mentalität, der politischen Verhältnisse. Wie dem auch sei, irgendwie bin ich in der kurzen Zeit aus Laos nicht schlau geworden.
Was unser Wanderdorf anbelangt, habe ich das Gefühl, dass alle damit beschäftigt sind, einen Weg zu finden, mit der Hitze und auch streckenweise hohen Luftfeuchtigkeit klar zu kommen. Einige nehmen sich regelmäßig Hotels. Die meisten kochen immer weniger in den ohnehin total überhitzen Wohnmobilen. Auch wir gehen regelmäßig etwas Essen. Es kommt nur noch selten vor, dass wir alle gemütlich zusammen sitzen. Wer weiß, wie sich das weiter gestaltet.
Eure Saradevi
Ruat, 17.05.2023