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Iran – kontaktfreudig und agil

Wir erregen Aufmerksamkeit

Unser Aufenthalt im Iran endet nun bald. Drei Wochen lang sind wir mit dem Wohnmobil vom Norden her durch den Iran Richtung Pakistan gefahren. Überall kommen die Leute auf uns zu und erkundigen sich nach unserem Heimatland und bitten um Selfies mit uns, beschenken uns mit Brot und Früchten und laden uns häufiger auch zu sich nach Hause ein.

Gewöhnungsbedürftige Fortbewegung

Die Straßen sind oft gut ausgebaut, hin und wieder aber auch in einem erbärmlichen Zustand. Für mich gilt: Beide Hände ans Lenkrad! In den Städten gibt es viele Kreisverkehre, Ampelkreuzungen sind seltener. Meist sind die Straßen drei- und mehrspurig, am Straßenrand stehen unzählige Verkaufsstände, kleine Ladenlokale und Werkstätten säumen den Weg. Es herrscht eine wuselige Geschäftigkeit. Kreisverkehre entpuppen sich als vielspurige Labyrinthe: Ist man glücklich reingefahren, beginnt die Sorge, die Ausfahrt nicht zu verpassen. Defensives Fahren ist angesagt, denn allzu oft scheint es, als fahre Jeder wie er will. Tückisch sind auch die oft unverhofft scheinbar aus dem Boden wachsenden Schwellen, die den flotten iranischen Autofahrer am Rasen hindern wollen.

Die Hupe ertönt stürmisch

Anfangs zucke ich jeweils heftig zusammen, wenn neben dem Amigo eine Hupe ertönt. Was mache ich falsch? Wo lauert eine Gefahr? In 99 % der Fälle wird jedoch freundlich gewunken und gerufen: “Welcome in Iran!” Die Handys wurden gezückt und zum Teil fährt man so, dass wir von allen Seiten fotografiert und gefilmt werden können.

Streng geheim

Bekanntermaßen ist das Fotografieren von Militäreinrichtungen und diversen Anlagen verboten. Diese Vorschrift wird wohl auch mit großem Aufwand überwacht und Mitglieder unserer Gruppe geraten ein paar Mal in den Fokus der Obrigkeit, nicht ahnend, dass sie etwas Verbotenes getan haben. Besonders störend empfinde ich die Visite mehrerer Beamter während unseres Aufenthaltes in der Wüste. Nachvollziehbar im Nachhinein: Wir bewegen uns in oder am Rande eines Sperrgebietes, allerdings mit vorheriger offizieller Erlaubnis. Sicherheitskräfte und Touristikbehörde müssen nicht immer einer Meinung sein…

Iran auf Reisen

Bei unseren Besuchen zahlreicher Sehenswürdigkeiten übernachten wir gelegentlich auf den dazu gehörigen, weitläufigen Parkplätzen. Auch hier stehen wir umgehend im Fokus anderer Besucher, werden angesprochen und fotografiert. Hin und wieder entwickeln sich fruchtbare, intensivere Begegnungen. Sehen diese Übernachtungsplätze tagsüber wie normale Parkplätze aus, wandelt sich Spätabends das Bild: Zelte werden neben und zwischen den Fahrzeugen, auch in unmittelbarer Nähe unserer Wohnmobile, aufgestellt, Teppiche ausgebreitet und Mahlzeiten zubereitet. Am nächsten Morgen, manchmal schon vor unserem Aufbruch, sind die Zelte bereits wieder verschwunden. Iranische Touristen sind (auch) so unterwegs, schließlich ist Ferienzeit.

Frau trägt Schleier

Saradevi deckt sich im ersten iranischen Basar mit einigen passenden Tüchern ein und lässt sich von wohlmeinenden Einheimischen in die Kunst des richtigen Wickelns einweihen. Frauen sollen ihr Haar und die Schultern bedeckt haben und die übrige Kleidung soll die Körperform nicht betonen. Bei Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius wirkt diese Kleidervorschrift wie eine Zumutung. Männer tragen übrigens keine kurzen Hosen und es geziemt sich auch nicht, mit nacktem Oberkörper herumzulaufen. Erstaunlich rasch gewöhne ich mich an diese Erscheinungsbilder und bin im übrigen überrascht, wie leger etliche iranische Frauen mit der Kleidungsvorschrift umgehen.

Es bleibt zu wenig Zeit

Als Erwachsener habe ich äußerst selten an Gruppenfahrten teilgenommen, mit dem Wohnmobil ist es die erste organisierte Fahrt. Unser Programm ist stramm und so bleibt kaum Gelegenheit, uns treiben zu lassen. Manche Begegnungen bleiben oberflächlich, Einladungen zum Tee oder zum Besuch zu Hause trauen wir uns aus Zeitgründen nicht anzunehmen, manchmal auch aus Unsicherheit bezüglich der Ernsthaftigkeit der spontanen und (zu) raschen Einladung. Das Alltagsleben der Iraner habe ich nicht kennen gelernt. Was bleibt, ist der Eindruck, auf viel Interesse zu stoßen und dass mein Heimatland bei den Iranern hohes Ansehen genießt. Mich selbst gilt es zu erinnert: Jetzt-einfach-sein!

Und sonst?

Iran ist ein faszinierendes Land, mit einer beeindruckenden Geschichte und Landschaft. Während unserer Reise stieg das Thermometer tagsüber immer über 30 Grad Celsius, die Nächte waren selten kühler als 20 Grad. Die Flüsse sind trocken zu dieser Jahreszeit und grüne Täler eine seltene Augenweide. Prägend ist die grau-gelbe Wüstenfarbe und der staubige Dunst am Horizont. Wir haben etliche Moscheen besucht, antike Stätten bewundert,  den sehr fachkundigen Erzählungen unseres iranischen Guides gelauscht, altehrwürdige Basare durchstreift und einige landestypische Gerichte und Lokale kennengelernt. Dass das Land sehr unter dem westlichen Wirtschaftsembargo leidet, kann ich nicht feststellen. Oder ist die galoppierende Inflation ein Zeichen dafür? Mir fallen im Straßenbild keine westlichen (deutschen) Nobelkarossen auf, häufiger sehe ich französische Kleinwagen auf der Straße. Übrigens: Meine Erwartung, der Staat ist allseits präsent, finde ich bedingt bestätigt. Vielerorten sind die religiösen Führer und Politiker abgebildet; während aktuell die schiitischen Trauermonate begangen werden, sind die Straßen oft mit schwarzen Fahnen geschmückt; hin und wieder fahren wir durch Kontrollposten der Polizei, seltener des Militärs; Polizeiwagen überwachen den Verkehr. Stets begegnet man uns korrekt und freundlich, winkt uns ohne persönliche Kontrolle durch und beantwortet unser freundliches Zuwinken mit einer lächelnden Geste.

Meine ganz persönlichen Reiseerfahrungen

Wir reisen im September durch den Iran und verbringen dort 24 Nächte. Meine Eindrücke entstehen zu einer ganzen bestimmten Zeit, an bestimmten Orten und mit bestimmten (relativ wenigen) Menschen als Reisender in einer jeweiligen Stimmung. Es sind Momentaufnahmen und vielleicht lassen sich meine Erfahrungen nicht verallgemeinern. Ich werde den Iran in guter Erinnerung behalten.

Wie gehts weiter?

Wir werden in den nächsten Tagen durch Pakistan fahren. Einem Land, das in den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes von Deutschland Erwähnung findet. Ich denke, es wird eine abenteuerliche Fahrt werden. Aus Sicherheitsgründen wird mein nächster Blogbeitrag und die Beschreibung unserer Route erst wieder nach der Ausreise zu lesen sein. Ich bin ohne Sorge und in freudiger Erwartung, was uns wohl in diesem Land begegnen wird…

Manfred
Kerman, 18.09.2022

Wir freuen uns auf den Austausch mit dir...

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Keidel Dorothea

    Hallo ihr Beiden
    Wir sind auf Texel ins Gespräch gekommen und seitdem verfolge ich euren Block.
    Es ist toll mit euch auf Reisen gehen zu dürfen, Einblicke in fremde Kulturen zu bekommen, die wir nicht erleben werden.
    Die Fotos schau ich mir immer wieder an und die informativen Berichte lassen mich in eure Welt ( Reise) eintauchen und träumen. Dafür möchte ich euch recht herzlich Danken.
    Ich wünsche euch noch viele tolle Erlebnisse, eine gute und gesunde Weiterreise. Kommt gesund an bzw. zurück.
    Ich werde eure Reise weiterhin verfolgen.
    Und vielleicht trifft man sich auf Texel mal wieder
    Alles Liebe Doro

    1. saradevi

      Liebe Doro,
      aus Pakistan – mit etwas Internet – herzliche Grüße. Wir freuen uns, dass dir unser Blog gefällt und nehmen dich, bis wir uns auf Texel wiedersehen, gern mit auf unsere Reise.
      Namaste sama