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Intermezzo während unserer Nordamerikareise

Seit ich diese Zeilen schrieb und sie nun bei euch auf dem Display erscheinen, sind fast zwei Wochen vergangen…

Über Mexiko nach Kuba

Am 2. Weihnachtstag verließen wir die Vereinigten Staaten. Mit dem Taxi ging es frühmorgens, nach einem Becher Kaffee, vom Hotel zum Flughafen. Weil es nebelig war, startete die Maschine verspätet. Unser Ziel war zunächst Mexiko. Dann Kuba. Auf den Flughäfen herrschte übersichtliches, aber reges Treiben. Ein- und Auschecken, die Sicherheitskontrollen und die wenigen Formalitäten erledigten wir (fast) immer zügig. Der letzte Blockbeitrag konnte abgesetzt werden. Weitere produktive Arbeiten waren mir wegen der unruhigen Atmosphäre auf den Flughäfen nicht möglich. (Ursprünglich hatte ich insgeheim damit geliebäugelt, unseren traditionellen Jahresbrief zu schreiben…) In Havanna landeten wir kurz vor Mitternacht. Wird unser Taxi, trotz unserer Verspätung, fahren? Unser Weg führte direkt auf wartende Chauffeure und einer Tafel zu. Auf dieser war auch unser Name zu lesen. Eine Sorge weniger! Die rasante Fahrt zu unserer Casa Partikular ging, mit einem mir aus den frühen Jahren meiner Führerscheinpraxis bekannten Fahrzeug, durch mitternächtlich leere Straßen. Elegant und sehr vorausschauend umfuhr der Taxifahrer die meist heftigen Schlaglöcher. Unsere Gastgeber für zwei Nächte erwarteten uns, der erwachsene Sohn dolmetschte unser Englisch. Die notwendigen Absprachen waren schnell erledigt und nach einem Glas Rotwein auf der Terrasse sanken wir glückselig auf unsere Kissen.

Abenteuerlicher Rundgang durch Havanna

Am nächsten Morgen erwartete uns ein vorzügliches Frühstück mit viel Obst, Brötchen, unserer Wunschmarmelade, Omelett, gutem Kaffee und frisch gepresstem Fruchtsaft. Mit einigen Hinweisen für unseren Weg durch die Stadt steuerten wir dann den nationalen Busbahnhof an. Anschließend zog es uns in den historischen Stadtkern. Leider hatten wir versäumt, die Offline-Karte von GoogleMaps zu laden und Internetempfang ist auf Kuba eine Sache für sich… So erreichten wir unsere jeweiligen Ziele (Busbahnhof, Platz der Revolution, Bankautomat, Telefonladen und Innenstadt) erst nach Umwegen und mit wirklich freundlicher Unterstützung der dort lebenden Menschen. Beeindruckend waren an manchen Stellen die Menschenschlangen, die Oldtimer, die desolaten Fassaden und die farbenfroh instand gesetzten Häuser. Und allerorten Musik! Saradevi sorgte aufgrund ihrer Kontaktfreudigkeit für manch nette Begegnung – und auch für ein amüsant grenzwertiges Erlebnis mit einem netten (Ab-)Schlepperpaar. So lernten wir zwei Lokale der einheimischen Szene kennen, rauchten eine Zigarre, tanzten, genossen die Cocktails und sorgten dann rechtzeitig für eine freundliche Verabschiedung. Mittlerweile war es stockdunkel geworden. Touristischer Betrieb in den Gassen und Livemusik im Zentrum ließen wir noch eine Weile auf uns wirken. Dann traten wir den abenteuerlichen Rückweg zu unserer Unterkunft an. Ohne Stadtplan, über dunkle und zum Teil unbelebte Straßen und hin und wieder mit weniger hilfreichen Hinweisen einiger Passanten. Am Ende eines langen Tages und insgesamt 22 Kilometern Fußmarsch erreichten wir unsere bereits unruhig wartenden Gastgeber. (Nette Leute hatten uns die letzten paar hundert Meter bis zum Zooeingang gefahren. Von dort wussten wir dann den Weg zur Herberge.) Ein weiteres Abenteuer war zu Ende, das nächste wartete bereits:

Am nächsten Morgen mussten wir in Allerherrgottsfrühe am Busbahnhof sein. Und wir hatten keine genauen Vorstellungen, was uns dort erwartete… Ein leckerer Kaffee zum Abschied und das liebenswürdige Angebot des Vortages, uns durch einen Freund der Familie zum Bus fahren zu lassen, verhalfen zu einem erfolgreichen Tagesbeginn. Um 7:20 Uhr saßen wir dann tatsächlich im Bus nach Trinidad, der uns auf diesem Weg zu unserem Urlaubsort am Meer brachte. Es folgten in ländlicher Idylle Tage des Ausschlafens, Radelns, Schwimmens und Schnorchelns…

Aufenthalt in einer anderen Welt

Durch die Lektüre verschiedener Reiseführer zu unserem Gastland waren wir einigermaßen vorbereitet. Internet ist teuer und selten verfügbar. Uns gelang es aber schon gar nicht, an entsprechende Handykarten zu kommen, die offensichtlich nur in handverlesenen und kaum gekennzeichneten Läden verkauft wurden. Und diese Verkaufsstellen konnten wir auf unserer Odyssee durch die Hauptstadt, trotz freundlicher spanischer Hinweise, nicht ausfindig machen.  Rings um uns herum überwog Tristess, die mich an die Besuche der „Ostzone“ während meiner Kindheit erinnerte.

Auf der Autobahn Richtung Trinidad teilten sich die wenigen Autos den Platz hin und wieder mit Fahrrädern, Fußgängern und Pferdefuhrwerken. Unterwegs war ein Bus liegengeblieben. Kurzerhand wurden die gestrandeten Passagiere von unserem Bus aufgenommen und bis zum nächsten Haltepunkt mitgenommen.

An unserem Ziel in Girón ließen wir uns von einer Rikscha zu unserer Casa bringen – allein hätten wir die wohl kaum gefunden. Die Zeitreise in eine bereits fast vergessene dörfliche Umgebung, ohne Bürgersteige und sehr wenig Asphalt, mit freilaufenden Hühnern, vielen Hunden und etlichen Pferdefuhrwerken hatte begonnen. Ein sehr spärlich eingerichteter Bungalow sollte für eine Woche nun unser Domizil sein. Lisvey umsorgte uns mit einem guten Wunschfrühstück und bereitete nach Absprache hin und wieder für uns auch das Abendessen. Die Verständigung funktionierte mit ein paar Brocken Englisch und vielen Gesten. Zu Silvester folgten wir der herzlichen Einladung, mit der gesamten Familie unserer Gastgeber zu feiern. Um unseren Bungalow herum herrschte immer geschäftiges Treiben, aber auch viel Müßiggang. Und fortwährend hörte man Stimmen und laute Musik aus zahlreichen Behausungen ringsherum bis spät in den Abend. Girón ist dabei, sich zu einem ansehnlichen Touristenort zu mausern: attraktive Strände mit kristallklarem Wasser, einige kleine Restaurants, eine große Hotelanlage in Strandnähe und sehr zahlreiche Privatunterkünfte stehen heute in unmittelbarer Nachbarschaft zu Holzhütten, Ställen und schlichten Steinbauten, die noch überwiegend mit löchrigen Sandwegen verbunden sind. Die Menschen hier sind freundlich und aufgeschlossen. Viele junge Leute sieht man auf der Straße. Der Ort lebt vom Fremdenverkehr.

Strandausflüge und per Pferdekutsche in den Mangrovenwald

Der Badestrand von Girón war zu Fuß zu erreichen. Da uns während unseres Aufenthaltes Fahrräder zur Verfügung standen, legten wir viele Wege durch den Ort und zum Strand mit diesen zurück. Zwei weitere Strände verfügten über sanitäre Einrichtungen und boten für 15 CUC ein Mittagsbüfett und freie Getränke, waren allerdings erst durch eine einstündige Radtour zu erreichen. Saradevi nutzte diese Strände auch zum Schnorcheln. Ich selbst konnte mich als Brillenträger nicht so recht mit diesem Wassersport anfreunden. Nach dem Schwimmen machte ich’s mir auf einer schattigen Sonnenliege schmökern bequem. Unsere Gastgeber vermittelten uns eine Kutschfahrt in den Wald. Gemeinsam mit einem Genfer Paar, zwei Männern aus San Franzisco und niederländischen Eltern mit Kleinkind, wurden wir von einem Guide sehr sachkundig durch die Natur geführt, vorbei an bunten Vögeln, Schildkröten und Krokodilen. Die Umgebung gehört zu einem sehr weitläufigen Sumpfgebiet und stellt für Kuba einen wichtigen Wasserspeicher dar.

Dankbar und voll unmittelbarer Eindrücke zurück zur Hauptstadt

Durch Zufall waren wir in Girón in dieser Casa gelandet. Und nichts von dem, was uns begegnete, hatte ich in dieser Form so erwartet. Ich verzichtete auf den üblichen Touristenkomfort und erlebte dafür ein Stückchen vom Alltag in einer kleinen Ortschaft auf Kuba. Überall hilfsbereite Leute, die überwiegend vom Fremdenverkehr zu leben scheinen, aber in keiner Weise aufdringlich ihre Dienste anboten. Mir begegneten auch einige zurückhaltende, abweisende Menschen, die mich mit meinem Fotoapparat argwöhnisch beobachteten, als ich insbesondere frühmorgens oder am Abend durch das Dorf streifte. Was will dieser Mensch hier? Leider spreche ich kein Spanisch und konnte mich nur unvollkommen erklären. Beeindruckt bin ich von der überwiegenden Schlichtheit der Verhältnisse und davon, mit welch einfachen Mitteln die Leute improvisieren und nicht nur ihr Leben meistern, sondern auch den Touristen noch etwas bieten wollen. Über die Einladung zu Silvester habe ich mich gefreut und bin dankbar für die freundliche Aufnahme im Kreis der ganzen Familie. Mit der Rikscha, die uns vom Bus zur Casa brachte, wurden wir am Abfahrtstag zur Bushaltestelle gebracht. Was wird uns nun in Havanna erwarten?

Nun – eine Stunde vor Abfahrt des Busses sollten wir an der Haltestelle sein. Dort angekommen, war am „Fahrkartenschalter“ einem Zettel zu entnehmen, dass das Büro wegen „Probleme“ geschlossen bleibt. Unser Internetticket konnten wir somit nicht als „Fahrkarte“ ausdrucken lassen… Mit zwei Stunden Verspätung traf der Bus dann endlich ein und unweigerlich führte unsere „Fahrkartenlosigkeit“ zunächst zu Diskussion und Klärungsbedarf, ehe sich der Bus dann vollbesetzt Richtung Havanna in Bewegung setzte.

Erneute Ankunft in Havanna

Bei strahlendem Sonnenschein waren wir in Girón gestartet, bei wolkenbruchartigem Regen erreichten wir in der Dämmerung die Hauptstadt. In den Vororten strömte das Wasser über die Straßen, die Fahrbahn war nur noch zu erahnen. Bei Ankunft empfing uns dann wegen Stromausfalls ein dunkler Busbahnhof, ohne dass jedoch der geordnete Ablauf gefährdet war. Wie bereits bei der Abfahrt in Girón, waren auch dieses Mal die beiden Touristen aus San Franzisco sehr hilfreich und unterstützten mit Spanisch die Suche nach einem Taxi. Wir teilten uns die Fahrt mit einer Frau, die in das selbe Stadtviertel wie wir wollte. Die Taxifahrt verlief ohne Komplikationen. Der Regen hatte auch schon sehr nachgelassen und wir erreichten trockenen Fusses unsere Casa, wo wir schon erwartet wurden. Formalitäten erledigt und kurze Zeit später begann unser Streifzug durch das abendliche Havanna…Am nächsten Morgen frühstückten wir in einem benachbarten Hostal und erkundeten zu Fuß das Zentrum bis in den Abend hinein. Geschäftiges Treiben überall. Neben einigen touristischen Highlights sahen wir auch in manchen Straßenzügen viel Elend. Oft genug wunderte ich mich, dass Abbruchhäuser tatsächlich bewohnt waren. Vielerorts gebot die Höflichkeit, auf Fotos zu verzichten… Neben Schutt sahen wir auch viel Müll auf den Straßen und in den Ecken und Ruinen liegen. Und doch wirkte die Szenerie oft genug nicht trist und grau, fast überall sahen wir bunte Wandfarben und viele künstlerische Wandbilder. Die Souvenirläden waren gut gefüllt, die überwiegenden Geschäfte des täglichen Bedarfs weniger…Heute Abend reisten die Oldies an, ab jetzt geht es mit einem Deutsch sprechenden Reiseleiter zu Viert (plus Fahrer und Guide) durchs Land…

Havanna, 08.01.2020

Wir freuen uns auf den Austausch mit dir...

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Reiner Welz

    Hi, Ihr beiden, danke für Deinen Kommentar zu unseren „Varianten“.
    Im Verhältnis zu uns seid Ihr in wirklich verschiedenen „Welten“ unterwegs.
    Kuba im Verhältnis zur Ostküste der USA und dann auch noch Costa Rica zu Euren vorherigen Erlebnissen…
    Wir sind nach dem beschriebenen „Kartengedöns“ jetzt wieder unterwegs und lieben den (für uns) unbeschreiblichen Sonnenuntergang in Keaton Beach FL (liegt südwestlich von Perry).
    Wünschen Euch weitere unvergessliche Eindrücke, liebevolle Begegnungen und ein gutes Miteinander!
    Vero und Reiner. (Wenn Ihr wisst, wie es bei Euch weiter geht, gebt doch bitte mal „Laut“)