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Indien für Anfänger (Teil 1)

Der Übergang von Pakistan nach Indien ist fließend, gleichwohl die Grenzformalitäten mal wieder etliche Stunden in Anspruch nehmen. In der Arena, dem Grenzbereich zwischen beiden Ländern, dürfen wir sogar Fotos machen. Das wurde noch an keiner Grenze so locker gehandhabt. Von hier geht es zur eigentlichen Abfertigungshalle und Kontrolle.
Per Fahrradeskorte rollen wir schließlich am Nachmittag aus dem Grenzbereich auf Indiens Straßen. Unsere zwei indischen Guides Sumer und Surja empfangen uns am Straßenrand mit einem Lächeln und einem Umschlag. So können wir direkt an der ersten Mautstation unser Ticket lösen. Wenn das kein Service ist.

Bunt

Bereits am ersten Tag besuchen wir den goldenen Tempel der Sikhs. Es ist ein Feiertag – aus meiner Sicht ein glücklicher Zufall. So dürfen wir mit in ein Farbenmeer aus Kleidern und Kopfbedeckungen eintauchen, an denen ich mich kaum satt sehen kann. Ich liebe die farbenfrohen, indischen Farbkombinationen, die leuchtenden Kleider und auch die Menschenmassen in der Tempelanlage und auf den Straßen. Diese Farbenpracht wird uns in ganz Indien begleiten. Darüber freue ich mich sehr.

Laut

Abgesehen vom Straßenverkehr scheint Indien ein Land zu sein,„that never sleeps“. Einige Male werden wir nachts wach, weil auf unseren Stellplätzen etwas angeliefert oder abgeholt wird, auch gerne mal bis zwei oder zwischen eins und drei. Und nicht etwas Wichtiges oder gar Verderbliches. Nein, Dekoration für ein Theaterstück oder ein ganzer Cateringservice. Und immer wimmelt es von quirligen Mitarbeitern, die sich freundlich irgendetwas zurufen, ein Lied trillern. Und das gerade so, als würden wir – fünf Meter neben ihnen bei offenen Fenstern – nicht schlafen wollen.

Geschmackvoll

Bereits am ersten Abend dürfen wir die indische Küche mit ihren Vorzügen kennenlernen. Frau Bhandari, Inhaberin unseres Guesthouses, hat für uns ein indisches Menü zusammengestellt. Da sie selbst das Hotelfach in Dortmund gelernt hat, kennt sie den europäischen Gaumen. Dal und andere Köstlichkeiten werden für uns weniger scharf gewürzt.
Seither bestelle ich immer weniger scharf gewürzte Gerichte und finde sie immer noch grenzwertig. Gelangt mal versehentlich eine typische Sauce auf meinen Teller, verdünne ich sie mit viel Reis oder muss passen. Von daher lohnt es sich, bei Buffets erst ein Mal ein wenig zu probieren.
Insgesamt finde ich die indische Küche sehr geschmackvoll. Ich mag Currys sehr und den Reis dazu auch. Manchmal gibt es auch Gemüse mit Kartoffeln. Oft sind die Gerichte vegetarisch. Wenn ich Fleisch nehme, dann meist Hühnchen. In Goa habe ich auch frischen Fisch probiert.
Und natürlich freue ich mich hier und da auch, wenn Pommes mit auf dem Speiseplan stehen.

Es wird gegessen, was auf den (Laden-) Tisch kommt

Spätestens in Indien musste ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass ich das kaufen kann, was mein Herz begehrt oder wenigstens Varianten davon. Selbst Brot gibt es so gut wie keines. Die Inder backen sich ihr Fladenbrot frisch in der Pfanne. Frisch schmeckt es gut. Sobald es erkaltet ist, ist es für mein Empfinden etwas fad. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum es nirgends zu kaufen ist. Was als Brot verkauft wird, ist Zwieback. Das finden wir ganz praktisch, weil es wenig verderblich ist und wir es morgens mit Marmelade, Honig und Nutella gut essen können. Ich liebe die Kombination mit Nutella und Bananenscheiben.
Die kleinen Obst- und Gemüsestände am Straßenrand haben auch hier in Indien eine kleine Auswahl frischer Produkte. Meist  werden die üblichen Verdächtigen angeboten: Tomaten, Zwiebeln, Blumenkohl, Kartoffeln, Bananen. Auf größeren Märkten in Ortschaften ist die Auswahl weitaus größer. Ich liebe es durch die Bazare zu gehen und über Wochenmärkte zu streifen. Meist sind die Waren sehr liebevoll aufbereitet und die Augen kaufen bekanntlich mit.
Überwiegend ist das zu bekommen, was gerade geerntet wird. Manche Dinge kenne ich gar nicht und nehme ab und zu mal etwas zum Ausprobieren mit nach Hause. Auch frischer Kurkuma sieht ganz anders aus, als bei uns im Laden – er hat die lange Reise nach Europa einfach noch nicht angetreten.

Mit der Zeit haben wir gelernt, was wo zu bekommen ist. Manchmal entpuppen sich kleine Läden als wahre Bermudadreiecke. Aus allen möglichen Ecken werden Dinge hervorgekramt, die ich dort niemals vermutet hätte. Von daher habe ich mir angewöhnt, überall nach allem zu fragen. Wenn das gewünschte Produkt nicht verfügbar ist, wird auch gerne an andere Händler verwiesen.

Überwiegend begnügen wir uns mit dem, was es in den kleinen Dörfern gibt – Manfred und ich sind uns da sehr ähnlich. Erst zweimal in zwischenzeitlich sieben Wochen haben wir einen Umweg gemacht, um gezielt einen Supermarkt anzusteuern.

Zwei- bis dreimal wöchentlich gehen wir Essen. Das Essen ist günstig und lecker. So bekommen wir einen guten Einblick in die indischen Küche, die Essgewohnheiten und Zutaten in den einzelnen Bundesstaaten.
Das führt schonmal dazu, dass es gebratenen Reis mit in Öl gebratenen, sehr würzigen Sticks und einem Brötchen zum Frühstück gibt… schmackhaft, aber für uns kein Frühstück… Das müssen wir also nicht unbedingt wiederholen – aber immerhin können wir es unserem Erfahrungskonto gutschreiben.

Kaffeetanten sind die Inderinnen und Inder definitiv nicht

Meine Ideen von der Welt haben sich schon so häufig nicht bewahrheitet. In Indien wird reichlich Kaffee angebaut. Von daher war ich so naiv anzunehmen, dass Kaffee in Geschäften und Cafés natürlich wie selbstverständlich angeboten wird.

Ich wurde eines bessern belehrt. Bis auf Nescafe ist fast kein Kaffee zu kriegen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Um auf alles vorbereitet zu sein, habe ich mir wiederverwendbare Nespressokapseln besorgt. Die funktionieren auch gut, wenn Kaffee vorhanden ist – gemahlen oder in Bohnen.
Unser Guide Sumi hat uns dann die Adresse eines Kumpels gegeben. Jetzt tummle ich mich nicht nur im deutschen, amerikanischen und niederländischen Amazon-Shop, sondern auch im indischen. Wir konnten bestellen, die Lieferung kam pünktlich an und wurde mit großer Freude ausgepackt. Es gibt für alles eine Lösung…  

Auch in Cafés ist Kaffee eine Rarität – mal abgesehen von Delhi oder Mumbai, wo es die einschlägigen Ketten und Cafés im westlichen Stil gibt.

An einem Tempel-Café warben sie damit, dass es neben Tee auch Kaffee gibt. Meine Chance dachte ich. Glücklich bestellte ich für Manfred einen landestypischen Gewürztee und mir einen Kaffee. Zudem war ich glücklich, nicht vergessen zu haben, ihn ohne Milch und Zucker zu bestellen. Meist kam er in den letzten Monaten ungefragt mit Milch und Zucker. Erst wurde Manfreds Tee zu bereitet, dann war mein Kaffee an der Reihe. Zu meiner Überraschung fügte der Mitarbeiter einem Tee die homöopathische Dosis einer Messerspitze Nescafe zu und fragt mich dann voller Stolz, ob ich meinen Kaffee mit oder ohne Ingwer haben wolle. Ich mag Ingwer eigentlich nicht in Getränken, erwiderte aber zur Freude meines Gegenübers „mit Ingwer“ – wenn schon, denn schon. Es war einen Versuch wert, sagte ich mir und blickte in Manfreds amüsiertes Gesicht, das mir sagte: Das hätte ich dir auch gleich sagen können…

Sind wir Im Land des Lächelns?

Im Iran haben uns die Menschen meist zugewunken, sind mit einem freundlichen Lächeln auf uns zugekommen und haben uns von sich aus angesprochen. In Pakistan war es ebenso. Viele Pakistani haben mir frei, neugierig und unverstellt in die Augen geschaut, Blickkontakt aufgenommen. Der Blick ist schwer zu beschreiben und wohl am ehesten mit denen von Kindern zu vergleichen. Bei uns in Deutschland begegnet mir ein solcher Blick nur ganz selten. In Indien auch nicht.
Von daher musste ich mich nach den sieben Wochen erst einmal umstellen. Hier sind die Blicke wieder abwartender, prüfender, irgendwie fragender. Schenke ich den Menschen hier hingegen ein Lächeln, wird dieses umgehend erwidert. So ist das für mich der eigentliche Moment, mit einem Inder oder einer Inderin in Kontakt zu sein.

Apropos Lächeln. Hier in Indien ist es laut Reiseführer Sumi möglich, Probleme weg zu lächeln. Ich hab’s ausprobiert und was soll ich sagen, es funktioniert. Zwar waren es keine großen Probleme, sondern ein Rempler im Bazar hier und eine Irritation an der Toll-Station da. Aber es ging. Ein Lächeln scheint die Inder wirklich zu verzaubern. Bei größeren Probleme würde ich es allerdings nicht drauf angekommen lassen. Es wäre einfach zu schade, wenn ich eines Besseren belehrt würde würde…

Kleider machen Leute

Inder mögen es, sich gut zu kleiden, lesen wir im Reiseführer. Tatsächlich erleben wir das auch so. Insbesondere im Norden, in Rajasthan, hat mir die traditionelle Kleidung von Männern und Frauen sehr gefallen – gleichwohl ich die Kleidung der Frauen für mich als zu warm und unpraktisch empfinde.
Es hat mich überrascht, dass die Frauen in Indien sowohl ihre Arme, als auch ihre Beine bedecken und in einigen Gegenden auch ihr Haar. Da war ich nicht gut genug vorbereitet. Deshalb habe ich mir, um in Städten und natürlich in Tempelanlagen, nicht negativ aufzufallen, erst einmal ein paar lange, sommerliche Outfits zugelegt.

Egal ob auf dem Dorf oder in der Stadt, die meisten Inderinnen und Inder sehen adrett aus, selbst wenn sie durch Baustellen mit viel aufgewirbeltem Staub fahren mussten oder auf den Dörfern in sehr ärmlichen Verhältnissen leben.
Ich habe mich oft gefragt, wie sie das hinbekommen. Immer wieder sehen wir, wie Frauen die Wäsche unter sehr schwierigen Bedingungen in Flüssen oder Seen waschen. Zum Trocknen wird die Wäsche auf Felsen, Leitplanken oder Wiesen ausgelegt. 

Jetzt, wo wir unsere Wäsche die meiste Zeit ebenfalls von Hand waschen, habe ich einen besonders großen Respekt vor der Arbeit und bin sehr dankbar, dass wir zuhause eine Maschine haben, die diese Arbeit für uns erledigt.

Ach so, vielleicht…

Die Mimik und Gestik der Inder und Inderinnen ist einfach nur faszinierend. Was denn jetzt? Ja oder nein? Ich kam mit den Antworten einfach nicht klar. Ganz allmählich, nach sechs Wochen, kann ich die Kopfbewegungen gut deuten. 

Meist wackeln meine Gegenüber mit dem Kopf einfach unmerklich hin und her und schauen mich nichtssagend an. Das heißt: „Vielleicht.“, „Mal schauen.“ oder wird auch gern als Antwort genommen, wenn gar nicht verstanden wurde, wonach ich gefragt habe.
Ja und nein werden mit dem gleichen nichtssagenden Blick durch kleine Kopfbewegungen von hinten nach vorne oder eben umgekehrt vorgetragen.
Die ersten Wochen habe ich meine Gegenüber hochkonzentriert  angeschaut und durch nachfragendes, eigenes Nicken oder Kopfschütteln wohl eher verwirrt. Ich blickte nur in fragende, irritierte Augen.
Schließlich haben Manfred und ich uns an einem Abend anhand eines Reiseführers in einem Selbstkurs in indischer Gestik und Mimik versucht. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass wir aus dem Lachen nicht mehr heraus kamen.
Zwischenzeitlich wackle ich oftmals zum Erstaunen meiner Gegenüber selbst mit dem Kopf einfach hin und her und lächle sie dann aus vollem Herzen an.

Saradevi
Bandipur, 30.11.2022

Unserer Reise durch Indien im Oktober bis Dezember 2022 (Indien Teil 1)

Wir freuen uns auf den Austausch mit dir...

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Pia Kind

    Danke, liebe Sabine, danke dass ihr mich an eurer Reise und euren Erlebnissen teilhaben lasst. Ich warte immer bereits sehnsüchtig auf die Fortsetzungen…
    Ganz liebe Grüße aus dem schmuddelig- novembergrauen Deutschland! Pia

    1. saradevi

      Liebe Pia, das freut uns sehr… dann lohnt sich unsere Mühe wenigstens ;))
      Am Wochenende kommt der zweite Teil meines Beitrags. Er ist doch etwas länger geworden.
      Neue Fotos haben wir heute auch hochgeladen. Es sind vielleicht zu viele. Aber ich finde, dass die Bilder oftmals für sich sprechen!
      LG aus dem sommerlichen Bandipur
      Saradevi
      PS: Wir haben gerade unseren ersten wilden Tiger gesehen – er war für unsre Kameras allerdings sehr weit weg.

  2. gerhild

    super sabine ganz toll
    ich empfinde auch vieles so wie du

    1. saradevi

      Guten Morgen Gerhild,
      vielen lieben Dank für deine Rückmeldung!
      Sabine Saradevi ;))

  3. Gerd Grauvogl-Bruns

    Hallo Sabine,

    beim Lesen Deines Reiseberichtes lebt Indien auch bei mir wieder auf. Und sogar die verschiedenen Düfte und Gerüche kommen wieder…..
    Ich freue mich auf den zweiten Teil von Indien.

    Liebe Grüße an Euch beide vom Nass-kalten Niederrhein

    Gerd

    1. saradevi

      Guten Morgen Gerd,
      wie schön, dass wir wie Erinnerungsauffrischer wirken.
      Teil zwei ist nun online.
      Liebe Grüße aus dem heiß-schwülen Kerala in die Heimat
      sama

  4. Sumer Singh

    Liebe Sabine und Lieber Manfred,
    viele liebe grusee aus Indien.
    Es war die schoene Zeit mit Ihnen und werden immer im schoene Erinehrung bleiben.
    Ich danke Ihnen fuer den die Reise nach Indien und war es super alles.
    LG
    Sumi
    +919811084401

    1. saradevi

      Lieber Sumi,
      ja, die Zeit in Indien wird für uns unvergesslich sein. Indien ist einfach so anders – wir haben es in all unseren Beiträgen beschrieben.
      Vielen lieben Dank noch einmal für deine Begleitung und die Zeit bei deiner Familie. Das war eine sehr besondere Erfahrung.
      Wie war deine Zeit in Deutschland?
      Herzliche Grüße nach Balotra
      sama