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2. Etappe: Maine bis Georgia, 24. September - 11. November 2019

Hast du schon Favoriten in diesem großen Land?

Diese Frage stellte mir meine ehemalige Kollegin Andrea, für die ich noch einen Auftrag in Washington zu erledigen habe… 

Favoriten, na klar – ganz viele …

Als ich diese Frage las, bin ich ganz automatisch in Gedanken rückwärts gegangen und habe mir Erlebnisse dieser Reise ins Gedächtnis gerufen.

Klar gibt es Favoriten, sogar viele – so wie es Oscars in den verschiedensten Kategorien zu vergeben gibt, die nicht miteinader zu vergleichen sind.

Unsere siebte Woche ist nun angebrochen – kaum zu glauben, dass wir schon so lange unterwegs sind… – und ich durfte schon  so viele unterschiedliche, kostbare Erlebnisse in meinen Erfahrungsschatz legen.

Natur pur – das Mark des Lebens aufsaugen

Noch immer denke ich mit Freude an unsere “Whale watching” zurück, insbesondere, nachdem ich bis Boston andere Anbieter und deren Boote gesehen habe. Unsere Tour wurde von Walforschern auf einem kleinen Boot angeboten – da hatten wir wohl richtig Glück.

Der Baxter Nationalpark hat für mich gehalten, was er versprochen hat – hier konnte ich in fast unberührter Natur stundenlang mit Manfred entlang von Seen und einem reißenden Bach wandern, ohne vielen Menschen zu begegnen. Von himmlischer Ruhe kann nicht gesprochen werden – man kan sich gar nicht vorstellen, wie laut Natur sein kann: rauschendes Wasser, Vögel, raschelnde Blätter…

Und dann die vielen kleinen Momente, in denen sich hinter der nächsten Ecke ein grandioser Blick auftut und ich mich einfach nur an der Schönheit der Natur erfreuen kann, insbesondere an der hügeligen Landschaft der Neuenglandstaaten.
Die Natur bestaunen, das mache ich zuhause auch, hier aber jeden Tag mehrfach, da wir stets unterwegs sind… wir haben den Indian Summer erahnt und ihn in Ansätzen erlebt. Weiter zurück in den Norden fahren, um den weiteren Fortgang der rötlichen Verfärbung zu sehen, dass wollten wir nicht. Der Mix aus grün und rot, den wir immer wieder bestaunen durften, fand ich schon grandios und völlig ausreichend.

Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich im T-Shirt am Meer. Es ist wieder wärmer geworden und somit ein wunderschöner Ort, um ein paar Tage zu ruhen, nach der Erkundung der Großstädte.
Unser Stellpaltz liegt in der ersten Reihe am Meer und die meisten Dauercamper sind nicht da. Die hier heimischen, fast zahmen Eichhörnchchen knabbern und spielen den ganzen Tag in unmittelbarer Nähe und die zahlreichen Kaninchen, die offensichtlich Haustiere sind, durchforsten regelmäßig den ganzen Platz.
Als ich David gestern beim Facetimen den Campingplatz zeigte, wurde er Zeuge, wie ich gerade noch verhindern konnte, dass ein Eichhörnchen in den Amigo klettert –  und hatte natürlich mächtig Spaß.

Während unserer Autofahrten konnten wir immer wieder viele Greifvögel beobachten – ein Highway hieß sogar Eagleway…

Und auf einer kleinen Wanderung von einem Nationalpark in die Stadt, habe ich eine halbe Minute dargestanden und einem Reh in die Augen geschaut. Erst, als ich mich bewegte, um meinen Fotoapparat in Position zu bringen, ist es weggelaufen! Dabei haben wir Datenschutzerklärungen auf Englisch bei uns…

jetzt.einfach.sein

Unserem Motto auf die Schliche zu kommen, ist gar nicht so einfach.
Zum einen habe ich noch keinen Modus gefunden, regelmäßig zu praktizieren. Es gibt immer mal kurze meditative Momente, aber noch kein neues Ritual.

Zum anderen wäre es schön, wenn sich mehr von euch an der Umfrage beteiligen würden. So bekäme ich weitere Impulse und ihr natürlich auch… (Zum Fragebogen)

Hilfreich und unterstützend habe ich meine Teilnahme an der Montagsmeditation in Worcester, den Tag im Kripalu Center for Yoga und Health sowie die meditative Wanderung im Umland von New York empfunden, die die Insight Meditation Sociaty in New York veranstaltete. Ich liebe es, zwischendurch gemeinsam mit anderen zu praktizieren, zu schweigen und mich über die Erfahrungen des Augenblicks auszutauschen.

Auf den Spuren der Stadtneurotiker!

In den letzten zwei Wochen waren wir dann viel in großen Städten wie Boston, New York und Philadephia unterwegs. Das komplette Kontrastprogramm zur Natur des Nordens, aber auch unverzichtbar auf einer solchen Reise.
Für mich war es der dritte Besuch von New York. Erstmals war ich 1994 in New York, ganz allein und ohne vorab ein Hotel gebucht zu haben; dann 1997 noch einmal mit meiner Mutter – diese Reise hatte mein Vater uns geschenkt. Und dann eben jetzt, gemeinsam mit meinem Schatz und unserem Amigo sowie unseren Rädern.

Es hat sich im Vergleich zu damals eine ganze Menge verändert. Ein empfundener Gegensatz ist, dass ich die Stadt als völlig ungefährlich empfunden habe, was die Zahlen auch bestätigen. Die Kriminalität hat in den vergangen Jahrzehnten extrem abgenommen. Dennoch gibt es überall enorme Sicherheitsmaßnahmen. Ganze Straßenzüge sind verändert, überall gibt es diese riesigen Poller zum Schutz von Gebäuden und Plätzen und letztlich der Menschen dort. Es ist sehr traurig, dass wir dies benötigen. Ob es im Extrem wirklich schützen kann?

Als wir am World Trade Center aus der Metro steigen, laufen mir unweigerlich die Tränen. Es ist ja schon viele Jahre her. Bereits zweimal habe ich auf dem alten World Trade Center gestanden und werde mir jetzt, in dem Augenblick, in dem ich diesen Ort erneut betrete, der Verletzlichkeit unserer Gesellschaft und der Besonderheit dieses Ortes bewusst. Ganz überrannt und überrascht muss ich mich erst mal sammeln, bevor ich dann die neuen Konsumtempel betrete…

New York, Ansterdam, Berlin, Venedig … sind schon besondere Plätze auf dieser Welt – einzigartig. Und auch, wenn Manfred und ich uns eine Zeit lang vorstellen konnten, in Berlin zu leben, so würden wir das für New York verneinen – zu laut, zu hoch, zu groß – einfach zu viele Superlative. Wir haben uns jetzt nur in New Jersey, Manhattan und Brooklyn aufgehalten… vielleicht verfälscht das den Blick.

Dennoch waren es vier Tage voller schöner Erlebnisse. Wahnsinnsaussichten an jeder Ecke, so viele Eindrücke, dass ich manchmal einfach für einen Moment stehen bleiben musste. Ein toll umgebautes MoMa mit Klassikern und neuen Künstlern zum Entdecken. Und natürlich sehr gegenteilige Stadtteile wie East Village, Chinatown, Central Park, Seaport, Midtown Manhattan…

Mit dem eigenen Fahrrad in dieser Metropole unterwegs zu sein, habe ich ebenfalls als etwas Besonderes erlebt. Und zur Überraschung vieler, gibt es ein gut ausgebautes Radwegenetz, das in Kooperation mit einer Amsterdamerin erarbeitet wurde. Im Gegensatz zu Amsterdam radeln hier noch nicht so viele… zu unserem Vorteil – vor zwei Jahren in Amsterdam mussten wir uns den Radweg mit vielen verschiedenen Zwei- und Dreirädern, alle unterschiedlich schnell unterwegs, teilen.

Was auffällt und bei uns nicht anders ist, ist die Tatsache, dass die persönliche Begegnung und das Interesse an seinem Gegenüber mit steigender Einwohnerzahl abnimmt.

Ute hatte ja geschrieben, sie habe gehört, dass New York laut sei. Ja, das ist es… es ist immer ein Klangteppich zu hören, ein geschäftiges Rauschen.
Die Lage unseres Stellplatzes war top, direkt am Hafen in New Jersey mit Blick auf die Skyline von Lower Manhattan und die Freiheitsstatue. Allerdings wurde nebenan ein neues Hochhaus gebaut und dass im Hafen gearbeitet wurde, war auch nicht zu überhören. Nachts hingegen, war nur noch der Klangteppich zu hören; das fand ich fast schon angenehm…

In Philadelphia haben wir uns dann auch auf die Spuren von Rocky begeben. Als wir uns im Besucherzentrum einen Film über die Stadt anschauen, wird klar, dass hier die berühmten Treppen sind, auf denen Rocky trainierte. Abends schauten wir uns die ersten zwei Rocky-Filme aus den  siebziger Jahren an. Sie kommen mit wenig Action aus und der erste bekam sogar mehrere Oscars.

Persönliche Begegnungen

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die vielen persönlichen Begegnungen. Es sind meist kurze, aber oft sehr intensive Gespräche – Momentaufnahmen von Menschen, denen wir wahrscheinlich nie wieder begegnen werden.

Vor zwei Tagen in New York stehen wir vor einem riesigen Gebäude und mutmaßen, dass dies wohl das Gefängnis ist. Da spricht uns Immanuel an und klärt uns über das Gefängnis auf, in das er auch schon einmal geraten war. Er gibt einen kurzen Abrsiss seiner Lebensgeschichte und erzählt, wie er die Dinge heute sieht. Ich habe den Eindruck, er ist überrascht, dass wir ihm zuhören, Fragen stellen und gänzlich unbeeindruckt sind, dass er dort einmal “gewohnt” hat. Er freut sich, von uns und unserer Reise zu hören und schlussendlich bittet er eine Passantin, ein Foto von uns Dreien zu machen. Immanuel, falls du das jemals liest – das Foto hätte ich gerne!

Und es kommt immer wieder zu Szenen wie beispielsweise morgens um kurz vor acht an der Ampel in New City: Der Fahrer im Auto neben uns bittet darum, die Scheibe herunterzukurbeln. Seine Frage, ob unser Auto ein kleines Thinyhouse ist, bejahe ich. Es kommen weitere Fragen und als die Ampel auf Grün springt, hören wir: Super, so was zu tun. Ich werde das auch irgendwann einmal machen …!

Und jetzt?

Nach all diesen Stadtansichten haben wir uns entschieden, nicht gleich nach Washington, sondern erst einmal für vier Nächte über Delaware nach Maryland ans Meer zu fahren. Wir sind “großstadtmüde” und mit dieser Müdigkeit in den Knochen würden wir Washington sicher nicht gerecht.

Aber so langsam freue ich mich auf die Tage dort und auch auf die Weiterfahrt Richtung Süden. Gleichwohl wir wirklich mit guter Kleidung für Wind und Wetter ausgestattet sind, merke ich, wie mir nass-kaltes Wetter zu schaffen macht und mir einen Teil meiner Energie raubt. Einige Tage Regenwetter bei Temperaturen um die 12-16 Grad durften wir ja auch schon erleben. Im Amigo werden solche Tage dann irgendwie länger und enger…

Es wird hier “im Norden” allmählich schwieriger. Campingplätze zu finden, die noch geöffnet haben. Etliche haben mit dem Kolumbustag (14.10.) geschlossen. Das sogenannte Halloween-Wochenende (ab 31.10.) scheint ein weiteres Datum für das Saisonende zu sein. Es ist ja nicht so, dass wir immer auf Campingplätzen stehen oder darauf angewiesen sind, aber manchmal benötigen wir eine Dumpingstation, Frischwasser oder auch mal eine Streicheleinheit für die Batterie. Und wenn dann gerade kein Platz in Sicht kommt, bedarf es Einfallsreichtum, Adleraugen und unter Umständen einer kompletten Umplanung. Fahren im Dunkeln und womöglich bei Regen, das wünschen wir uns nicht mehr…

Wenn du Lust hast schau dir noch ein paar Fotos an. Ich lade fast täglich welche hoch und ordne sie nach Monaten. Für New York habe ich einen Extraordner angelegt. Du findest meine Fotos unter sa:digital oder hier.

Taylors Island, 27.10.2019

Saradevi

 

 

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