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Dschungel und Moderne

Einzug in unseren Amigo

Wir machen uns von Koh Mak auf Richtung Leam Chabang, die Hafenstadt bei Pattaya. Bereits einen Tag früher als gedacht können wir unseren Amigo in Empfang nehmen. Die meisten Teilnehmer haben schon ein paar Tage in Bangkok zusammen verbracht und kommen von dort. Ich freue mich sehr auf den Amigo und die Gruppe, gleichwohl ich die Zeit alleine mit Manfred und ohne Programm auch sehr genossen habe. 

Bei Abholung ist schnell klar, dass unser Amigo durchwühlt wurde. Auf den ersten Blick gibt es keine äußeren Spuren – wie bei anderen, deren Womos aufgebrochen wurden. Etliche Dinge liegen auf dem Boden, Schränke und Schubladen sind geöffnet. Immerhin sind wir fahrtüchtig und es wurde nichts zerstört.

Vom Hafen geht es dann gleich weiter auf einen Stellplatz zwanzig Kilometer entfernt. Hier wird offenbar, was wir schon angenommen haben. Viele Gegenstände wurden entwendet. Unsere hochwertige Outdoorkleidung, etwas Schmuck, unser gutes Fernglas, Stirnlampen und vieles mehr. Außerdem ist der Griff des Kühlschranks defekt und der Kosmetikspiegel im Bad zerbrochen. Überall im Auto gibt es Fingerabdrücke mit schwarzem Schmier.
Das ist alles sehr ärgerlich, manches ist teuer, hier in Thailand nicht ersetzbar und manches hat einen ideellen Wert. Auch noch am zweiten Tag, als wir alles komplett aus und wieder einräumen, fallen noch Dinge auf.
Wir nutzen den freien Tag zum Einrichten, füllen das Wasser auf, setzen die Trockentrenntoilette in Stand, bringen die Reserveräder wieder an, gehen einkaufen und das alles bei fast vierzig Grad. Letztlich vergeht der Tag wie im Fluge.

Ich habe das Gefühl, wieder in den Amigo einzuziehen. Am Abend sieht es auch schon wieder wohnlich aus und es fühlt sich gut an, wieder nach Hause zu kommen.

Ins Land der Khmer

Am nächsten Morgen brechen wir weiter Richtung Kambodscha auf. Ich bin gespannt, was mich dort erwartet. Eigentlich habe ich nur die alten Khmerstätten wie Angkor Wat vor Augen, wenn ich an Kambodscha denke. Nur fünf Tage werden wir in Kambodscha sein, dass ist für ein Land eigentlich zu kurz.

Aus- und Einreise sind super vorbereitet. Die längste Zeit sitze ich als Beifahrerin im klimatisierten Warteraum auf kambodschanischer Seite und warte gemeinsam mit den anderen auf unsere eingesammelten Pässe. Letztlich will mich niemand persönlich sehen, ich nehme meinen Pass in Empfang und bin in Kambodscha.

Wir fahren direkt weiter Richtung Siem Reap, dem Ausgangsort unserer Besichtigungstouren zu den alten Khmerstätten. Die Landstraße, hier zwischendurch auch Autobahn genannt, ist gut ausgebaut. Es gibt in Kambodscha insgesamt drei gut ausgebaute Straßen, die das Land wie Adern durchziehen und sich dann in meist nicht ausgebaute Wege weiter verästeln.

Erstmals nach sieben Monaten gilt wieder Rechtsverkehr. Erstaunlicherweise ist das so vertraut, dass wir uns nicht sonderlich umstellen müssen. Lediglich beim Abbiegen habe ich manchmal das Gefühl, auf der falschen Seite zu landen.

Zu meiner Überraschung wird in Kambodscha in US-Dollar bezahlt, die Landeswährung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Gleich beim ersten Einkauf bekomme ich das Wechselgeld zur Hälfte in Dollar zurück, die Stellen hinterm Komma in der heimischen Währung, also in Riel.

Da wir nur wenig Zeit in Kambodscha verbringen, werde ich mir das meiste Wissen über das Land aneignen, in dem ich den ganz normalen Alltag lebe, Einkaufen gehe, etc. und mir ein Bild mache, also den Menschen zusehe und während der Fahrt alles aufmerksam beobachte.

Kambodscha überrascht mich

Ich kann gar nicht genau sagen, was ich erwartet habe, aber das ich positiv überrascht bin, das bezeichnet es ganz gut.

Nach fünf Tagen würde ich sagen, Kambodscha ist ein aufstrebendes Land. Insbesondere in den Metropolen wird viel gebaut und investiert.

Die Menschen, die ich erlebe, sind motiviert, „fleißig“ und aufmerksam. Eine gute Basis also für Entwicklung.

Insgesamt erlebe ich die Menschen hier als eher abwartend, wenig zugehend. Wenn ich einmal einen Kontakt hergestellt habe, sind sie freundlich und zugewandt.

Anders, als bislang auf unserer Reise, sprechen die meisten Kambodschaner kein Englisch. Das macht die Verständigung zunehmend schwieriger, da auch Google nicht immer hilfreich bei der Übersetzung ist. Wenn ich mir die übersetzten Antworten anschaue, die Menschen mir eintippen oder einsprechen, dann denke ich, dass sie dies sicher nicht gesagt haben. Wer weiß also, wie unsere Beiträge übersetzt werden…

Viele Fragen beantwortet uns unser Guide. So erfahre ich, dass das Einkommensgefälle – wie in den Ländern zuvor – sehr groß ist, die Lebenshaltungskosten eher hoch sind und für gute Bildung und gute medizinische Versorgung auch gut bezahlt werden muss. Eine Krankenversicherung können sich nur 15 Prozent leisten. Viele Familien leben aufgrund des schlechten Rentensystems zusammen, unterstützen sich gegenseitig. Aber auch hier streben junge Menschen in die Städte und wollen eigenständig leben. Die Art des Lebens ist, wie überall, an den Grad des Wohlstandes gebunden. Das hat sicher Vor- und auch Nachteile – vielleicht liegt die beste Lösung sogar noch wo anders. Seit der Reise beschäftige ich mich viel mit solchen Fragen, vergleiche, sammle Ideen.

Im Dschungel

Angkor Wat wollte ich immer schon einmal gerne besuchen. Umso erfreuter bin ich, dass wir hierzu gleich zwei Tage zur Verfügung haben. An einem Tag erkunden wir die alten Tempelanlagen Angkor Wat, Ta Prohm und Städte wie Angkor Thom mit der Gruppe. Am zweiten Tag fahren wir bei fast vierzig Grad mit dem Mountainbike durch den Dschungel und besichtigen zudem die weniger touristischen Tempelanlagen drum herum. Es macht Spaß, sich mal wieder zu bewegen, auch wenn ich beim nächsten Fahrrad keinen Kompromiss machen und auf die Federung verzichten werde.

Ich bin beeindruckt, wie gut die alten Stätten erhalten sind, wie sich Natur und Stein miteinander verbunden haben. Letztlich gehört alles zusammen und ist ohnehin miteinander verbunden. Die alten Völker hatten stets ausgeklügelte Konzepte und haben mit wenigen Mitteln viel erreicht. Hier ein wenig abzuschauen, kann sicher bereichernd sein.

Da das gesamte Gebiet zwischenzeitlich zum Weltkulturerbe gehört, müssen die Menschen im größeren Umfeld nach und nach ihre Häuser verlassen, da dies wohl eine Auflage der UNESCO ist. Immer mal wieder kommen wir an verlassenen Häusern und Gehöften vorbei, die hier und da wie aus dem Nichts auftauchen, während wir durch die dicht bewachsene Natur fahren.

Wir sind den ganzen Tag auf Wegen jenseits großer Straßen unterwegs und durchfahren so manch kleines Dorf, dass wir so nie gesehen hätten. Anders als in der Stadt leben die Menschen hier ärmlicher und haben ein größeres Problem ihren Müll angemessen zu entsorgen. Es gibt immer mal wieder die uns schon bekannten Schmuddelecken.

Wieder zurück am Stellplatz, begehen wir Radfahrer ein Duschfest. Mit dem Wasserschlauch, der eigentlich zur Bewässerung der Gartenanlage gedacht ist, spritzen wir uns gegenseitig mit kaltem Wasser ab und haben unsere Freude. Die Wassertanks unserer Wohnmobile haben sich, je nach Lage zur Sonne, zwischenzeitlich auf über 40 Grad aufgeheizt.

Kontrastprogramm Pub Street

Insgesamt ist Kambodscha sehr auf Tourismus ausgerichtet. Ein paar Kilometer von den alten Stätten entfernt, im Zentrum von Siem Reap, gibt es ein Ausgehviertel, dass ich hier nicht in der Form erwartet hätte. Ein Pup reiht sich an den nächsten, ein Restaurant ans andere. Oftmals in zwei Stockwerken. Je später der Abend, desto lauter die Musik, die aus den zahlreichen Lokalitäten schallt und einen irren Mix an Melodien produziert, den ich irgendwann nur noch als Lärm wahrnehme. Aber auch das gehört dazu und ich bin froh, es erlebt zu haben.

Floating Village

In Südostasien spielt sich so manches Leben auf dem Wasser ab. Davon hatte ich schon gehört und immer mal wieder Bilder gesehen. Da direkt auf unserem Weg der größte Binnensee Südostasiens liegt, auf dem Menschen in einem sogenannten Floating Village leben, beschließen Manfred und ich, es uns auf dem Weg nach Phnom Penh anzusehen. Mit dem Schnellboot fahren wir auf dem Fluss entlang des Fischmarktes zum See, steigen in ein kleines Boot um und werden von einer 17jährigen Schülerin durch das Village gepaddelt. Sie paddelt morgens Touristen und geht nachmittags zur Schule. Am Sonntag paddelt sie auch vormittags. Das Einkommensgefälle in Kambodscha ist sehr groß. Offensichtlich gehört ihre Familie nicht zu den reicheren.
Die Häuser treiben auf leeren alten Fässern und sind mit Tauen an Stäbe gebunden, die im See verankert sind. Es gibt sogar eine Schule, eine Kirche, einen Tempel und natürlich Supermarkt und Friseur. Die Wohnhäuser sind in einem sehr unterschiedlich Zustand und wirken sehr individuell.
Eine Verbindung zwischen den Behausungen, beispielsweise über Stege, gibt es nicht. Kinder schwimmen im Wasser, Menschen sind auf Booten unterwegs. Letztlich ist das Dorf nicht sehr groß. Die Menschen hier leben ihren Alltag. Es ist interessant, das zu sehen – es wäre nicht meine Art zu leben.
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen nicht unbedingt begeistert sind, dass wir dort herumfahren, aber andererseits ist es eine wichtige Einnahmequelle und sie bieten es selbst an. Was für eine verrückte Welt.

Bedrückende Killing Fields

Phnom Penh habe ich leider irgendwie gar nicht erlebt. Wir kommen spät an und feiern nur noch Abschied von einem Teammitglied, bis wir müde ins Bett fallen.
Wir sind nur einen ganzen Tag vor Ort. Vormittags besuchen wir den Königspalast nebst Nebengebäuden und fahren nachmittags zum Kriegsmuseum und zu den Killing Fields. Zur Einstimmung auf letztere hatten wir in Siem Reap abends gemeinsam den gleichnamigen Spielfilm angeschaut.

Es ist bedrückend und verstörend, zu was Menschen fähig sind. In einer ehemaligen Schule sind unzählige Kambodschaner allen Alters gefangen gehalten und gefoltert worden. All das ist zwischenzeitlich gut dokumentiert und aufbereitet. Wir laufen durch die einzelnen Blöcke und werden der barbarischen Methoden der Folterung und Kriegsführung der roten Khmer gewahr, während zeitgleich in der Ukraine ein grausamer Krieg geführt wird. Es ist traurig, wie wenig lernfähig wir Menschen doch sind.

Die Killing Fields, von denen es viele in Kambodscha gibt, sind Felder, meist weit außerhalb von Ortschaften gelegen, auf denen die Menschen hingerichtet wurden, die meisten durch Genickschläge. Waffen kamen nur selten zum Einsatz. Damit niemand etwas mitbekommt, wurde laute Musik vom Band gespielt. Wir besuchen das Gelände und auch die Gedenkstätte, in der 1000 Schädel nach Alter sortiert sind, die Art der Hinrichtung ist durch Klebepunkte markiert. Die damals hingerichteten sind im Alter meiner Eltern oder so alt wie ich.

Die meisten Menschen in Kambodscha werden wohl Familienangehörige verloren haben, die jetzt noch leben könnten. Die Trauer der jungen Einheimischen, die wir hier antreffen, ist deutlich, berührt und macht wütend auf alle, die ihr sogenanntes Recht mit kriegerischen Mitteln umsetzen.

Voll von diesen Eindrücken kehren wir nach einem langen, heißen Tag gegen Abend zurück, bummeln noch ein wenig umher, essen eine Kleinigkeit und fallen wieder müde ins Bett – in dem Bewusstsein, von der dynamischen, aufstrebenden jung wirkenden Stadt, die wir aus dem Bus heraus gesehen haben, nichts mitbekommen zu haben. Ich wäre gern noch einen Tag geblieben – so wie es in Hauptstädten auf der Tour eigentlich auch üblich ist. Sich mit der Geschichte zu befassen, ist wichtig und möchte ich nicht missen. Aber für mich gehört das Abtauchen in eine Stadt, das Wahrnehmen von Lebensart, das Beobachten von Menschen und Szenen, das Bummeln und Beobachten auch dazu.

Next Stopp Saigon

Schon morgen werden wir Saigon erreichen. Ich merke, dass mein Körper reist, meine Seele aber aktuell deutlich langsamer unterwegs ist. Auch wenn wir nicht viele Kilometer gemacht haben, kommt mir das Reisetempo sehr hoch vor.

Ich haben, insbesondere nach dem „Einbruch“ und dem erneuten Einzug in den Amigo das Gefühl, mich erst wieder einleben und in den Reiserhythmus finden zu müssen. Und das, während wir in sieben Tagen in drei Ländern unterwegs sind und ein volles Programm von morgens früh bis spät abends haben.

Auch die hohen Temperaturen, gepaart mit steigender Luftfeuchtigkeit sind nicht gerade Energiespender, zumal ich oftmals nachts aufwache, weil ich einfach klitschnass geschwitzt bin.

Und dennoch freue ich mich sehr auf Vietnam, ein Land, dass ich schon seit meiner Kindheit bereisen wollte.

Von daher verlasse ich Kambodscha mit einem lachenden und einem weinenden Auge in der Gewissheit, dass es sich sicher lohnt, hierher noch einmal zurückzukehren.

Eure Saradevi
Hoi An, 05.04.2023

Unsere Reise durch Kambodscha im März 2023

Wir freuen uns auf den Austausch mit dir...

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Jenny Hohner

    Saradevi,

    Thanks so much for sharing your impressions of Cambodia. Your trip has been amazing. I love following your adventures. I’m grateful for all the photos you post.

    Safe travels!

    Jenny

    1. saradevi

      Dear Jenny,
      we are very happy that you accompany us on our journey. Feedback like yours encourages me to keep feeding the blog….
      Love to the USA and all the best for your boat. I read that you guys are in the process of working out the teething problems?
      All the best from the sama:trail
      Saradevi